Transposons sind die einfachsten Genabgabevehikel der Natur, die als hochwirksames Mittel für vielseitige Anwendungen in der Gentechnik, einschließlich der Gentherapie, genutzt werden können. DNA-Transposons sind genetische Elemente, die ihre Positionen im Genom ändern können. In der Natur existieren diese Elemente als mobile ("springende") DNA-Einheiten, die eine Transposase enthalten, die von terminalen invertierten Wiederholungen (terminal inverted repeats, TIR) flankiert wird. Die TIR tragen die Transposase-Bindungsstellen. Wichtig ist, dass die beiden funktionellen Komponenten des Transposons (die TIR und die Transposase) in Form von Bikomponenten-Vektorsystemen getrennt werden können. Transposon-basierte Vektoren ermöglichen den Einbau praktisch jeder betreffenden DNA-Sequenz zwischen den Transposon-TIR und die Mobilisierung durch Trans-Supplementierung der Transposase (Abb. 1). Beim Transpositionsprozess vermittelt das Transposase-Enzym die Exzision des Elements aus dem Spendervektor, gefolgt von der Integration des Transposons in einen chromosomalen Locus (Abb. 1). Dieses Merkmal positioniert Transposons auf einzigartige Weise als nicht-virale Genabgabesysteme, welche die günstigen Eigenschaften der Integration viraler Vektoren (d. h. stabile chromosomale Integration und langanhaltende Transgenexpression) mit denen nicht-viraler Abgabesysteme (d. h. geringere Immunogenität, verbessertes Sicherheitsprofil und reduzierte Kosten der GMP-Herstellung) vereinen.
Basierend auf alten, inaktiven Transposonsequenzen, die aus Fischgenomen isoliert wurden, wurde ein aktives Transposon rekonstruiert und Sleeping Beauty (SB) genannt. SB war das erste Transposon, das jemals in der Lage war, Wirbeltierzellen effizient zu transponieren, wodurch neue Wege für die Gentechnik, einschließlich der Gentherapie, eröffnet wurden. Unsere Gruppe hat mit präklinischen Studien unter Verwendung der SB-Technologie dazu beigetragen, die Sicherheit und Wirksamkeit von autologen SLAMF7-CAR-T-Zellen gegen multiple Myelomzellen zu untersuchen. Derzeit gibt es über zehn aktive klinische Studien im Bereich der Gentherapie, welche die SB-Gentransfertechnologie einsetzen. Unsere Gruppe führt die kontinuierliche Charakterisierung der molekularen Merkmale der SB-Transposition in menschlichen Zellen durch und verfolgt aktiv die Entwicklung und präklinische Prüfung neuartiger SB-Transposon-Reagenzien mit verbesserter Wirksamkeit und Sicherheit.
Abbildung 1. Schematische Übersicht der Genabgabe mit Sleeping-Beauty-Transposition. Die SB-Transposase wird in Form von DNA (Expressionsplasmid), mRNA oder rekombinantem Protein zusammen mit Spender-DNA, in der sich das zu mobilisierende Transposon befindet, in eine Zelle eingebracht. Nach der Bindung innerhalb der terminalen invertierten Wiederholungen des Transposons (TIR, gelbe Rechtecke), die das betreffende Gen (gene of interest, GOI, grünes Rechteck) flankieren, führen die SB-Transposasen (blaue Kreise) die Exzision des Transposons aus der Spender-DNA (schwarzer Strang) durch und integriert es in eine Stelle in der genomischen Ziel-DNA (lila Strang). Quelle: Gene Ther. 2021 Sep;28(9):560-571. doi: 10.1038/s41434-021-00254-w.
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Wechselwirkungen zwischen genomischen Parasiten, wie Viren und endogenen transponierbaren Elementen (TEs, springende Gene, mobile genetische Elemente) mit der Wirtszelle (einschließlich ihrer Integration in das Wirtszellgenom) können negative Folgen für das zelluläre Gleichgewicht (Homöostase) und damit für Qualität und Sicherheit von zellbasierten Produkten haben.
Um Sicherheit und Wirksamkeit von ATMPs zu gewährleisten und zu verbessern, untersucht die Arbeitsgruppe Wechselwirkungen zwischen den im humanen Genom mobilisierten, endogenen transponierbaren Elementen LINE-1 (Long Interspersed Nuclear Element-1, L1), Alu und SVA, und deren Wirtszellen. Um die Risiken zu bewerten, welche die nachgewiesene Aktivierung endogener TEs in humanen pluripotenten Stammzellen für die Sicherheit dieser Zellen und der von ihnen abgeleiteten therapeutischen Zellprodukten darstellt, fokussieren wir uns gegenwärtig auf die Konsequenzen der L1-vermittelten Retrotransposition für genomische Destabilisierung, Expression von Wirtsgenen und für die Entstehung von Krankheiten, die mit der L1-Aktivität in humanen pluripotenten Stammzellen im Zusammenhang stehen.
Obwohl das menschliche Genom ca. 106 L1-Kopien enthält, die ca. 17 Prozent der genomischen DNA abdecken, kodiert nur eine Untergruppe von 80-100 L1-Elementen die vollständige und intakte, für ihre Mobilisierung notwendige Proteinmaschinerie und ist somit in der Lage zu retrotransponieren. L1-Elemente replizieren über ein RNA-Intermediat mithilfe eines Copy-and-Paste-Mechanismus. Die L1-kodierte Proteinmaschinerie ist verantwortlich für die Mobilisierung von L1-Elementen in cis, aber auch für die Transmobilisierung von nicht-autonomen humanen Non-LTR-Retrotransposons wie SINEs (z. B. Alu) und SVA-Elementen (Abbildung 2). Auch jede Art von zellulären mRNA-Molekülen sowie in seltenen Fällen nicht-retrovirale, exogene RNA-Virussequenzen können durch L1-kodierte Proteine mobilisiert werden, was zur Entstehung prozessierter Pseudogene führt, welche die genomische Integrität der Wirtszelle beeinträchtigen können. Die Generierung von ca. 34 Prozent des gegenwärtigen menschlichen Genoms ist eine Folge der Aktivität endogener L1-Elemente. Humane L1-Elemente werden in der Keimbahn, während der Embryonalentwicklung und der Entstehung des zentralen Nervensystems sowie später während der adulten Neurogenese aktiviert und mobilisiert. Expression endogener L1-Elemente korreliert mit dem Alterungsvorgang (Seneszenz), der Verkürzung von Telomeren, Stress, und DNA-Schädigung, und führt zur gesteigerten L1-vermittelten Mobilisierung von TEs wie sie in Tumorzellen zu beobachten ist. Insertionen in kodierende Regionen finden statt und können die Entstehung von Krankheiten verursachen. Zum anderen kann aberrante L1-Überexpression die angeborenen Immunantwort stimulieren, das Immunsystem aktivieren, und Autoimmunität sowie Entzündungsreaktionen hervorrufen.
Abbildung 2. L1-Retrotranspositionszyklus. Ein funktionelles L1-Element wird transkribiert und die L1-mRNA (rot) wird in das Zytoplasma exportiert, translatiert und L1-kodierte Proteine (L1 ORF1p, L1 ORF2p) binden an ihre eigene mRNA (cis-Präferenz), oder gelegentlich an Alu oder SVA RNAs, und bilden Ribonukleoprotein (RNP) -Komplexe, die in den Zellkern reimportiert werden. Anschließend wird die L1-RNA (bzw. Alu, SVA RNA oder von Wirtsgenen kodierte mRNA) revers transkribiert und die resultierende cDNA durch einen Mechanismus, der als Target-Primed Reverse Transcription (TPRT) bezeichnet wird, in das Genom insertiert. Häufig schreitet die reverse Transkription nicht bis zum 5'-Ende fort, was zu verkürzten nicht funktionellen L1-de-novo-Insertionen führt. Quelle: Paul-Ehrlich-Institut, in Anlehnung an O. Weichenrieder, Universität Tübingen.
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