Sind die COVID-19-Impfstoffe sicher, obwohl die Entwicklung so schnell ging?
Die kurze Entwicklungszeit der COVID-19-Impfstoffkandidaten während der Pandemie wurde durch eine Reihe von Faktoren erreicht:
- Kenntnis des potenziell schützenden Antigens aus Vorarbeiten zu Impfstoffen für SARS-CoV von 2002/2003 und MERS-CoV
- Anwendung und Weiterentwicklung neuer Impfstofftechnologien
- Durchführung einiger sonst präklinisch durchgeführter Untersuchungen parallel zu klinischen Prüfungen
- Durchführung überlappender Phase 1/2- und Phase 2/3-Prüfungen
- Regulatorische Anleitung durch intensive, auch mehrfache wissenschaftliche Beratung (Scientific Advice)
- Rolling Review beim Paul-Ehrlich-Institut und bei der Europäischen Arzneimittelagentur (European Medicines Agency, EMA)
- Hohe Fokussierung und großzügige finanzielle Unterstützung durch die Bundesregierung, Europäische Kommission und weltweit agierende Stiftungen, auch um den Beginn der Großherstellungen im Vorfeld der Zulassung zu ermöglichen
- Weltweite Zusammenarbeit z. B. auf Ebene der WHO und der Internationalen Koalition der Arzneimittelbehörden (International Coalition of Medicines Regulatory Agencies, ICMRA)
- Für die Zulassung der COVID-19-Impfstoffe wurden Daten von 20.000 bis knapp 40.000 Studienteilnehmenden ausgewertet. Dadurch wurden umfassende Informationen über die Sicherheit und Wirksamkeit der Impfstoffe gewonnen. Mit der Zulassung endet die Nachbeobachtung der Studienteilnehmenden nicht. Sie werden über einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren im Rahmen der weiter geführten zulassungsrelevanten klinischen Prüfungen aktiv beobachtet. Dies geschieht u. a. auch, um die Dauer der Wirksamkeit der Impfung beurteilen zu können.
Generell gilt aber für COVID-19-Impfstoffe wie für alle anderen neuen Impfstoffe und therapeutischen Arzneimittel, dass zum Zeitpunkt der Zulassung nicht alle potenziellen oder sehr seltenen Nebenwirkungen erfasst sein konnten. Aus diesem Grund werden Impfstoffe wie andere neu zugelassene Arzneimittel auch nach der Zulassung im Hinblick auf ihre Sicherheit überprüft. Ein Bestandteil dieser Nachbeobachtung (Surveillance) ist beispielsweise die Analyse der spontanen Meldungen von Verdachtsfällen von Nebenwirkungen oder Impfkomplikationen. Bei den pandemischen Impfstoffen gegen COVID-19 wurden noch weitere, auch aktive Sicherheitsstudien durchgeführt.
Aktualisiert: 11.10.2024
Stimmt es, dass in Impfstoffen Hilfsstoffe verwendet werden können, die in Arzneimitteln nicht erlaubt sind?
Nein.
Impfstoffe können pharmazeutische Hilfsstoffe enthalten, die vom Arzneimittelhersteller selbst hergestellt oder von entsprechenden Unternehmen bezogen werden. Solche Substanzen werden teilweise als Laborchemikalien für unterschiedlichste Anwendungen angeboten. Der Hersteller versieht die Produktinformationen zu diesen Laborchemikalien in der Regel mit einem Warnhinweis, dass sie nicht für die Anwendung am Menschen geeignet sind. Dies kann zu der fälschlichen Annahme führen, dass sie generell nicht bei Menschen angewandt werden können.
Sobald solche Substanzen in Arzneimitteln verwendet werden, muss ihre Eignung für die Anwendung am Menschen vom Hersteller und im Rahmen der Arzneimittelzulassung z. B. durch das Paul-Ehrlich-Institut sorgfältig geprüft und bewertet werden. Ein Zulassungsantrag enthält entsprechende Informationen zur Qualität und Herstellung. Die o. g. Prüfung erfolgte auch wie üblich bei der Zulassung der mRNA-Impfstoffe.
Aktualisiert: 19.08.2024
Welche Daten wurden im Sicherheitsbericht über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen nach Impfung mit COVID-19-Impfstoffen veröffentlicht?
In den periodisch erschienenen Sicherheitsberichten mit Meldedaten bis einschließlich 31.03.2023 wurden die an das Paul-Ehrlich-Institut gemeldeten Verdachtsfälle von Nebenwirkungen oder Impfkomplikationen zeitlich nach Gabe der zugelassenen COVID-19-Impfstoffprodukte dargestellt und über Risikosignale berichtet. Hierbei wurden alle Verdachtsfallmeldungen von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen aus Deutschland berücksichtigt, unabhängig davon, auf welchem Weg – ob per Post, E-Mail, Telefon, elektronisch über das Meldeportal des Paul-Ehrlich-Instituts www.nebenwirkungen.bund.de, über die EudraVigilance-Datenbank bei der Europäischen Arzneimittelagentur (European Medicines Agency, EMA) und/oder über die SafeVac 2.0-App) – sie eingegangen waren.
Weitere Informationen
www.pei.de/sicherheitsbericht
Meldeportal - Meldung von Verdachtsfällen zu Nebenwirkungen von Arzneimitteln – www.nebenwirkungen.bund.de
Aktualisiert: 19.04.2024
Wie viele Verdachtsfallmeldungen zu COVID-19-Impfstoffen sind seit Beginn der Impfkampagne im Paul-Ehrlich-Institut eingegangen?
Im Zeitraum vom Beginn der Impfkampagne in Deutschland am 27.12.2020 bis zum 31.03.2023 wurden dem Paul-Ehrlich-Institut 340.282 Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und 56.432 Verdachtsfälle schwerwiegender Nebenwirkungen zu COVID-19-Impfstoffprodukten (nach Grund- und Booster-Impfung) berichtet.
Bei Verdachtsfallmeldungen zu Nebenwirkungen und Impfkomplikationen handelt es sich um Meldungen von Reaktionen, die in zeitlicher Nähe nach einer Impfung aufgetreten und nicht direkt eindeutig auf andere Ursachen zurückzuführen sind. Bei Reaktionen, die nach einer Impfung auftraten und als Verdacht einer Nebenwirkung oder Impfkomplikation gemeldet wurden, prüft das Paul-Ehrlich-Institut, ob solche Reaktionen im ursächlichen Zusammenhang zur Impfung mit einem bestimmten Impfstoffprodukt, bestimmten Chargen eines Impfstoffprodukts oder Impfstoffprodukten eines bestimmten Impfstofftyps stehen könnten. Ggf. werden vom Paul-Ehrlich-Institut geeignete Maßnahmen zur Risikoreduktion ergriffen, koordiniert oder veranlasst.
Weitere Informationen
www.pei.de/sicherheitsbericht
Verdachtsfallmeldungen von Nebenwirkungen nach Anwendung von COVID-19-Impfstoffen
Aktualisiert: 30.08.2024
Können COVID-19-mRNA-Impfstoffe die Fruchtbarkeit beeinträchtigen?
Es gibt keine Hinweise aus den nichtklinischen Untersuchungen der zugelassenen COVID-19-mRNA-Impfstoffe, dass eine Impfung zu einer Beeinträchtigung der weiblichen oder männlichen Fruchtbarkeit (Fertilität) führen könnte.
Wie für jede Arzneimittelzulassung in der EU erforderlich, wurden auch hier vor der Anwendung am Menschen verschiedene Untersuchungen zur möglichen Toxizität an Tieren durchgeführt. Potenziell schädliche Wirkungen von wiederholten Impfungen auf Fruchtbarkeit, Schwangerschaft und Embryonalentwicklung wurden jeweils in einer speziellen, sehr umfangreichen Studie an weiblichen Ratten gemäß internationaler Richtlinien untersucht (sogenannte DART (Developmental and Reproductive Toxicity)-Studie). Diese Studien zeigen keinen Hinweis auf eine Beeinträchtigung der weiblichen Fruchtbarkeit durch die Impfstoffe. Außerdem wurden in den Toxizitätstudien mit wiederholter Gabe einer erhöhten Impfstoffdosis (sogenannte "repeat-dose toxicity study") bei den nachfolgenden umfassenden feingeweblichen (histopathologischen) Untersuchungen keine Impfstoff-bezogenen Veränderungen in weiblichen oder männlichen Fortpflanzungsorganen (Eierstöcke oder Hoden) beobachtet.
Mit dieser Datenlage ist im Rahmen einer Arzneimittelzulassung die bestmögliche Sicherheit für den Ausschluss von Schäden an Fortpflanzungsorganen und von einer Beeinträchtigung der Fortpflanzung beim Menschen gewährleistet.
Die durchgeführten Untersuchungen und deren Bewertung sind den veröffentlichten Bewertungsberichten (European public assessment report, EPAR) der Europäischen Arzneimittelagentur EMA (European Medicines Agency) zu entnehmen. Die (englischsprachigen) EPARs können auf www.pei.de/covid-19-impfstoffe in der rechten Spalte abgerufen werden. Über weitere Studien berichtet das Robert Koch-Institut unter "Macht die COVID-19-Impfung Frauen oder Männer unfruchtbar?"
Aktualisiert: 21.08.2024
Können COVID-19-Impfungen mit einem mRNA- oder Vektorimpfstoff schädigende Zellfusionen verursachen?
Die Antwort ist eindeutig nein. Es ist inzwischen bekannt, dass das Spike-Protein des Coronavirus SARS-CoV-2 bei Kontakt mit menschlichen Zellen dazu führt, dass die Zellen mit benachbarten verschmelzen (fusionieren) und teilweise absterben. Solche verschmolzenen Zellen fanden sich in den Lungen von an COVID-19 verstorbenen Patientinnen und Patienten.
Mit dieser Erkenntnis wurde die Frage laut, ob möglicherweise Impfstoffe, die zur Bildung des Spikeproteins führen, ebenfalls zu solchen klinisch relevanten Membranfusionen führen können.
Bei der Impfung mit den in Deutschland verfügbaren COVID-19-Impfstoffen (mRNA-Impfstoffe oder Vektorimpfstoffe) bekommen einige wenige Körperzellen einmalig fremde genetische Information zugeführt. Sie besteht aus mRNA (mRNA-Impfstoffe) oder durch harmlose Erkältungsviren übertragene DNA (Vektorimpfstoffe). Die genetische Information wird von den betroffenen Zellen in Protein übersetzt. Sie bilden das Spikeprotein des Coronavirus. Weil sich die Impfstoffe im Gegensatz zu dem Coronavirus SARS-CoV-2 nicht vermehren, bleibt die Menge des Spikeproteins gering und ist nur lokal vorhanden. Schon aufgrund der geringen Anzahl von Zellen, in die die genetische Information für den Bau des Spike-Proteins durch Impfung gelangt, sind keinerlei klinischen Effekte zu erwarten.
Die klinischen Studien in zehntausenden von geimpften Probandinnen und Probanden haben die Sicherheit der Impfstoffe belegt. Auch in den regelmäßig vom Paul-Ehrlich-Institut veröffentlichten Sicherheitsberichten finden sich keine Hinweise auf Impfkomplikationen dieser Art.
Membranfusionen sind ein natürlicher Vorgang, der Zellen dazu dient, Stoffe wie Hormone, Neurotransmitter und Abfall zu ihrem Bestimmungsort zu transportieren. Diesen Vorgang nutzen auch Viren, um in neue Zellen einzudringen.
Aktualisiert: 21.08.2024
Kommt es vor, dass das Paul-Ehrlich-Institut Chargen nicht freigibt?
Das Paul-Ehrlich-Institut verweigert die Chargenfreigabe, wenn die im Zulassungsdokument festgelegten Kriterien und Spezifikationen nicht erfüllt werden. Das kommt jedoch sehr selten vor, da während des gesamten Produktionsprozesses festgelegte strenge Qualitätskontrollen vom Hersteller durchgeführt werden, die potenzielle Mängel frühzeitig aufdecken. Arzneimittel, die beim Hersteller zur Endproduktprüfung gelangen, wurden daher bereits intensiv überwacht und entsprechen mit sehr großer Wahrscheinlichkeit den in der Zulassung geforderten Qualitätsstandards.
Für den Antrag auf Chargenfreigabe muss der Hersteller ein Prüfprotokoll für die jeweilige Charge erstellen und einreichen. Zeigt eine Charge eines Arzneimittels im Rahmen dieser Prüfung Mängel auf, wird für die Charge die staatliche Chargenfreigabe durch das Paul-Ehrlich-Institut verweigert.
In der Regel beantragt der Hersteller erst gar nicht die Chargenfreigabe beim Paul-Ehrlich-Institut, wenn bereits im Vorfeld festgestellt wurde, dass die Charge nicht die geforderten Produktspezifikationen erfüllt.
Aktualisiert: 06.11.2024
Was bedeutet "Post-Vac-Syndrom?"
Der Begriff "Post-Vac-Syndrom" wird im Zusammenhang mit bestimmten Beschwerden nach einer COVID-19-Impfung verwendet, die zum Teil den beschriebenen Symptomen bei Long-COVID ähneln.
Es gibt für diesen Begriff keine international anerkannte, standardisierte Falldefinition. Bei den Auswertungen von Verdachtsfallmeldungen zu Long-/Post-COVID-ähnlichen Symptomen nach COVID-19-Impfung konnte weder bei solchen Meldungen nach COVID-19-Impfungen aus Deutschland noch bei denen aus den Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) und der Nicht-EWR-Staaten (weltweit), in denen die zentral zugelassenen COVID-19-Impfstoffe verabreicht wurden, ein erhöhtes Risiko für das Auftreten dieser Beschwerden festgestellt werden.
Das Paul-Ehrlich-Institut weist darauf hin, dass bei jeder der Auswertungen, wie sie in der Stellungnahme vom 19.05.2023 beschrieben wurde, mehr als 50 Prozent der Verdachtsfallmeldungen aus Deutschland stammten. In Deutschland wurden aber nicht mehr als 50 Prozent aller Impfdosen der Staaten, aus denen Verdachtsfallmeldungen vorlagen, verabreicht.
Dem Paul-Ehrlich-Institut liegen aktuell keine Hinweise aus der wissenschaftlichen Literatur vor, die die auslösenden Faktoren für die Entstehung von Long-/Post-COVID-ähnlichen Symptomen erklären könnten.
Es ist inzwischen bekannt, dass es auch zahlreiche asymptomatische SARS-CoV-2-Infektionen gab. In solchen Fällen können die Long-/Post-COVID-ähnlichen Symptome auch eine Folge der unerkannten Infektion sein.
Weitere Informationen
Stellungnahme des Paul-Ehrlich-Instituts zum Thema "Post-Vac-Syndrom" nach COVID-19-Impfung vom 19.05.2023
Aktualisiert: 21.08.2024
Was ist bei der Nutzung der öffentlichen Daten zu Verdachtsfallmeldungen von Nebenwirkungen zu beachten?
Wohlwissend, dass die gemeldeten Informationen zu Fehlinterpretationen führen können, veröffentlicht das Paul-Ehrlich-Institut angesichts des erhöhten Informationsbedürfnisses einiger Teile der Bevölkerung und zugunsten einer größtmöglichen Transparenz die gemeldeten Verdachtsfälle von Nebenwirkungen nach Arzneimittelgesetz (AMG) und/oder Impfkomplikationen nach Infektionsschutzgesetz (IfSG) nach Anwendung von COVID-19-Impfstoffen auf seiner Website. Die Informationen werden aus Gründen der Nutzerfreundlichkeit im Excel-Format angeboten, zuletzt ergänzt um die Chargenbezeichnungen (sofern vorhanden). Das Paul-Ehrlich-Institut weist im Besonderen auch auf den Disclaimer-Text vor dem Download der Tabellen und auf die Erläuterungen innerhalb der Tabellen in Zeile 1 hin.
Daten zu Arzneimittelnebenwirkungen
Das Paul-Ehrlich-Institut stellt im Folgenden der interessierten Öffentlichkeit die wichtigsten Fakten inklusive Erläuterungen im Umgang mit der Nutzung der veröffentlichten Verdachtsfallmeldungen von Nebenwirkungen zur Verfügung, um Fehlinterpretationen vorzubeugen.
Das Spontanmeldesystem ist ein wichtiges Instrument der Pharmakovigilanz zur Signaldetektion. Die Chargennummern haben für die routinemäßige Signaldetektion keine primäre Bedeutung.
Spontanmeldungen sind ein wichtiges Instrument in der Pharmakovigilanz, um neue Risikosignale zu detektieren, denen z. B. mittels genauerer Analysen und einem Abgleich mit Daten aus vorhandenen klinischen Studien oder Literaturveröffentlichungen nachgegangen werden kann. Um das freiwillige Meldeverhalten zu fördern und unabhängig von dem Vorliegen detaillierter Informationen das Melden eines Verdachtsfalls einer Nebenwirkung jedem zu ermöglichen, ist die Meldung eines Verdachtsfalls für die Meldenden einfach und unkompliziert gestaltet. Sie umfasst die Informationen, die von den Meldenden ohne Umstände bereitgestellt werden können und die im europäischen Kontext der Arzneimittelbewertung zwingend für die Verarbeitung und Bewertung der Meldung erforderlich sind. Die Chargennummern gehören nicht dazu.
Die Chargennummern haben für die routinemäßige Detektion von Signalen keine primäre Bedeutung. Der Ausgangspunkt für die Detektion von Signalen sind die für das Arzneimittel bzw. den Impfstoff gemeldeten Reaktionen. Die Angabe einer konkreten Chargennummer ist aus diesem Grund auch für die Übermittlung an die EudraVigilance-Datenbank, die Verdachtsfalldatenbank der Europäischen Arzneimittelagentur (European Medicines Agency, EMA), nicht verpflichtend. In der EudraVigilance-Datenbank werden keine Angaben zur Chargennummer veröffentlicht.
Europäische Datenbank gemeldeter Verdachtsfälle von Arzneimittelnebenwirkungen
Die Verdachtsfallmeldungen von Nebenwirkungen aus der Spontanerfassung sind nicht geeignet, konkrete Aussagen zur (chargenbezogenen) Häufigkeit von Reaktionen zu treffen.
Das Paul-Ehrlich-Institut hat wiederholt Anfragen aus der Öffentlichkeit erhalten, in denen die Informationen zu Verdachtsfällen von Nebenwirkungen aus der Spontanerfassung als geeignetes Mittel angesehen werden, chargenbezogene Häufigkeiten von Nebenwirkungen von Impfstoffen zu beobachten. Daraus kann die Erwartung entstehen, dass chargenbezogene Auswertungen der Spontanmeldungen standardmäßig durchgeführt werden sollten. Aus wissenschaftlicher Sicht ist diese Sichtweise aber nicht zielführend. Denn die Verdachtsfallmeldungen von Nebenwirkungen aus der Spontanerfassung weisen verschiedene systemimmanente Limitationen auf und sind daher nicht geeignet, konkrete Aussagen zur Häufigkeit von Reaktionen zu treffen. Zudem stellen sie nur einen Baustein bei der Bewertung der Arzneimittelsicherheit dar. So werden die Daten aus der Spontanerfassung durch Informationen aus klinischen oder nicht-interventionellen Studien oder um in der Literatur publizierten Informationen ergänzt und diese Daten im Kontext in den regelmäßigen Unbedenklichkeitsberichten – den sogenannten Periodic Safety Update Reports (PSURs) – diskutiert. Diese Berichte müssen die pharmazeutischen Unternehmen (Zulassungsinhaber) regelmäßig bei der Europäischen Arzneimittelagentur (European Medicines Agency, EMA) vorlegen, die Bewertung und Diskussion der Berichte findet bei den nationalen Arzneimittelbehörden statt.
Im Spontanmeldesystem werden Verdachtsfälle von Nebenwirkungen nach Impfung bzw. Arzneimitteltherapie retrospektiv, basierend auf den einer meldenden Person vorliegenden Informationen, erfasst. Die Anzahl der erfassten Verdachtsfälle von Nebenwirkungen im Spontanmeldesystem ist somit eine Teilmenge der Gesamtheit der tatsächlichen aufgetretenen Nebenwirkungen. Das Paul-Ehrlich-Institut hat im Rahmen des Spontanmeldesystems keine Möglichkeit, die Gesamtzahl der aufgetretenen Verdachtsfälle – also z. B. die Zahl derjenigen Personen, die in Deutschland mit einem bestimmten Impfstoff immunisiert wurden – zu ermitteln. Zusätzlich ist die genaue Anzahl der exponierten Personen nicht bekannt, welche neben der genauen Anzahl an aufgetretenen Nebenwirkungen ebenfalls für die Berechnung einer konkreten Häufigkeit benötigt wird. Aus der Anzahl der Meldungen kann daher schlicht nicht auf die Häufigkeit der Reaktion geschlossen werden. Da in klinischen Studien im Gegensatz zum Spontanmeldesystem diese Informationen vorliegen, ist in diesem Rahmen eine Berechnung der Häufigkeiten des Auftretens einer Nebenwirkung möglich.
Nur für eine begrenzte Anzahl der Verdachtsfallmeldungen, die an das Paul-Ehrlich-Institut gemeldet werden, ist tatsächlich eine valide Impfstoffcharge dokumentiert. Auf Basis der in den Verdachtsfallmeldungen verfügbaren Informationen kann auch nicht auf eine chargenbezogene Häufung geschlossen werden. Eine Hochrechnung ist auf dieser unvollständigen Datenbasis in wissenschaftlich korrekter Weise nicht möglich.
Generell ist es nicht ungewöhnlich, dass die Anzahl von Verdachtsfallmeldungen pro Charge unterschiedlich ist. Das liegt unter anderem daran, dass Chargen ganz unterschiedliche Mengen an Impfstoffdosen umfassen. Darüber hinaus werden die in einer freigegebenen Charge insgesamt enthaltenen Impfstoffdosen auch nicht ausschließlich in einem einzelnen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR), wie beispielsweise Deutschland, verimpft.
Insgesamt ist die Sorge, bestimmte Chargen eines COVID-19-Impfstoffs hätten häufiger Nebenwirkungen hervorgerufen als andere, unberechtigt. Das Paul-Ehrlich-Institut weist darauf hin, dass zum Beispiel bei keinem der im Zusammenhang mit der Gabe von COVID-19-Impfstoffen ermittelten Risikosignale – wie dem Thrombose-mit-Thrombozytopenie-Syndrom (TTS) nach Gabe von Vektorimpfstoffen oder der Myo-/Perikarditis nach mRNA-Impfstoffen – eine chargenbezogene Häufung festgestellt wurde.
Die gemeldeten Verdachtsfälle sind keine bestätigten Nebenwirkungen, Nebenwirkungen sind nicht mit Impfschäden gleichzusetzen.
Das Paul-Ehrlich-Institut veröffentlicht Verdachtsfallmeldungen von Nebenwirkungen, die es im Rahmen des Spontanmeldeystems, einem der Bausteine der Pharmakovigilanz, erhält. Mit diesen Meldungen sollen Hinweise auf Signale für mögliche Risiken der Impfstoffe frühzeitig erkannt werden. Es handelt sich nicht um bestätigte Nebenwirkungen. Dabei ist zu beachten, dass unerwünschte Reaktionen oftmals im zeitlichen, nicht aber unbedingt im ursächlichen Zusammenhang mit einer Impfung gemeldet werden. Bestätigte Nebenwirkungen sind in den Produktinformationen der Impfstoffe aufgeführt. Die an das Paul-Ehrlich-Institut gemeldeten Reaktionen sind auch nicht gleichzusetzen mit einem Impfschaden.
Nach § 24 Sozialgesetzbuch (SGB) XIV erhalten Personen, die durch eine vorgeschriebene oder öffentlich empfohlene Impfung eine gesundheitliche Schädigung erlitten haben, die über das übliche Ausmaß einer Reaktion auf eine Schutzimpfung oder andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe hinausgeht (allgemeinsprachlich: Impfschaden), Leistungen nach dem sozialen Entschädigungsrecht. Entsprechende Voraussetzungen / Kriterien sind in den §§ 4 und 24 SGB XIV festgelegt. Um diese Leistungen zu erhalten, muss nach § 113 Absatz 5 SGB XIV grundsätzlich ein Antrag auf Entschädigung jeweils bei dem Landesversorgungsamt des Bundeslandes gestellt werden, auf dessen Gebiet die Impfung durchgeführt wurde.
§ 5 SGB XIV regelt den Grad der Schädigungsfolge und legt fest, dass vorübergehende Gesundheitsstörungen von bis zu sechs Monaten nicht zu berücksichtigen sind.
Das Paul-Ehrlich-Institut ist für die Bearbeitung von Anträgen auf Leistungen nach dem sozialen Entschädigungsrecht nicht zuständig.
Aktualisiert: 06.01.2025