Paul-Ehrlich-Institut

Hinweis zur Verwendung von Cookies

Zur Bereitstellung und Optimierung unseres Webauftritts möchten wir gerne statistische Informationen vollständig anonymisiert erfassen und analysieren. Dürfen wir hierzu vorübergehend einen Statistik-Cookie setzen?

Sie können Ihre Einwilligung jederzeit in unserer Datenschutzerklärung widerrufen.

OK

Bewährtes stärken und neue Perspektiven schaffen - Klaus Cichutek und Stefan Vieths zu den Leistungen des PEI 2017/18

Wie sich die Erfahrungen des PEI aus den letzten zwei Jahren auf die Zukunft der Arzneimittelentwicklung auswirken, erläutern Prof. Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), und Prof. Stefan Vieths, Vizepräsident des PEI, in einem aktuellen Interview.

Prof. Stefan Vieths (links) und Prof. Klaus Cichutek (rechts) Prof. Stefan Vieths (links) und Prof. Klaus Cichutek (rechts). Quelle: T. Jansen / PEI

Biomedizinische Arzneimittel entwickeln sich rasant. Was bedeutet das für das PEI?

Professor Cichutek: Wir gestalten diese Entwicklung als forschendes Institut und zulassende Behörde aktiv mit! 2017/18 waren viele Innovationen in der Entwicklung und auf dem Weg zur Zulassung – und das PEI an vielen Verfahren beteiligt. Zwei erfolgversprechende CAR-T-Zelltherapeutika zur Behandlung von Leukämien und Lymphomen haben eine Zulassung durch die Europäische Kommission erhalten. Es gab eine Zunahme von Verfahren für weitere Gentherapeutika mit Adeno-assoziierten-Viren als Vektoren. So zum Beispiel für die ursächliche Behandlung der Hämophilie: Durch eingeschleuste Gene können Leberzellen fehlende Gerinnungsfaktoren selbst produzieren. Bereits jetzt steht ein monoklonaler Antikörper zur Verfügung, der einen Gerinnungsfaktor ersetzt – und rekombinant hergestellte Gerinnungsfaktoren der neuen Generation haben eine deutlich verlängerte Halbwertszeit. Auch Vektor-Impfstoffe finden immer mehr Anwendung. Prominentes Beispiel ist der Ebola-Impfstoff VSV-EBOV, der derzeit in der Demokratischen Republik Kongo zur Eindämmung der Ebola-Epidemie eingesetzt wird.

Professor Vieths: 2018 haben die ersten beiden Allergenprodukte eine Zulassung nach der Therapieallergenverordnung erhalten – ein wichtiger Meilenstein. Immuntherapien zur Behandlung von Nahrungsmittelallergien entwickeln sich rasant. Das PEI erhielt das erste zentrale Zulassungsverfahren für ein Therapieallergen gegen Erdnussallergie von der Europäischen Arzneimittelagentur.

Ganz Europa ist intensiv mit dem Brexit beschäftigt. Wie ist das PEI vorbereitet?

Cichutek: Wir haben uns gleich nach dem Referendum auf mögliche Szenarien eingestellt. Die Verfahren der Zulassungsbehörden des Vereinigten Königreiches – UK – wurden auf andere Mitgliedstaaten verteilt. Uns war klar: Als wichtiger europäischer Akteur muss das PEI Verantwortung übernehmen. Die Versorgung mit biomedizinischen Arzneimitteln in Deutschland und Europa darf durch den Brexit nicht gefährdet werden. Wir haben bisher 36 europäische Zulassungsverfahren für Human- und Veterinärarzneimittel von der UK-Arzneimittelbehörde sowie einige Chargenprüfungen übernommen.

Vieths: In Verbandsgesprächen und auf unserer Internetseite haben wir Unternehmen frühzeitig und regelmäßig darüber informiert, welche regulatorischen Aktionen sie rechtzeitig initiieren müssen, damit keine kritischen Versorgungslagen entstehen.

Wie engagiert sich das PEI für globale Gesundheit?

Cichutek: International sind wir bestens vernetzt: Das PEI blickt auf eine lange Historie der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der WHO zurück. Einen wichtigen Beitrag zur globalen Gesundheit leisten wir durch unsere Teilnahme am Global Health Protection ProgrammeGHPP. In zwei Projekten, dem VaccTrain und dem BloodTrain, unterstützen am PEI regulatorisch ausgebildete, internationale Teams den Aufbau regulatorischer Strukturen in Subsahara-Afrika – und das sehr erfolgreich. Das Bundesministerium für Gesundheit – BMG – hat die Mittel deutlich aufgestockt, sodass wir unser Engagement intensivieren können.

Produktprüfung ist eine Kernkompetenz des PEI. Was hat sich hier getan?

Vieths: Die Produktprüfung ist auf dem neuesten Stand der Technik – und wir entwickeln sie kontinuierlich weiter. Durch ein effektives, national wie europaweit akkreditiertes Qualitätsmanagement können wir gerichtsfeste Daten produzieren. Damit gewährleisten wir nicht nur die Qualität biomedizinischer Arzneimittel, sondern können auch dazu beitragen, Fälschungen und Diebstähle aufzuklären. Der Abteilung Mikrobiologie ist es gelungen, einen Multiplex-Test für die serologische Prüfung von Impfstoffen mit Tetanus-, Diphterie- und Pertussis-Komponenten zu etablieren. Dadurch können wir die Chargen dieser wichtigen Impfstoffe schneller, genauer und ohne belastende Tierversuche prüfen. Seit 2018 ist der Test im laufenden Betrieb.

Seit der Grippesaison 2018/19 sind tetravalente Influenza-Impfstoffe Standard. Welche Erfahrungen hat das PEI gemacht?

Cichutek: Die Umstellung von Produktion, Zulassung und Chargenprüfung auf Antigene von vier statt drei Influenzavirus-Stämmen verlief problemlos – 15,8 Millionen Dosen konnte das PEI für Deutschland freigeben. Doch bereits zu einem frühen Zeitpunkt waren alle Impfstoffdosen bei den Herstellern vorbestellt oder verteilt. Das PEI ermöglichte daraufhin Ärzten, Apothekern und der Öffentlichkeit, lokale Engpässe auf seiner Internetseite zu melden. Auf Hinweis des PEI stellte das BMG im November einen Versorgungsmangel fest. Das ermöglichte Großhändlern und Apothekern unter anderem, Grippeimpfstoffe aus dem EU-Ausland zu importieren, deren europäischen Zertifikate das PEI auf Anfrage als Service überprüft hat. Wir haben uns intensiv für die reibungslose Umstellung sowie für die Entlastung der knappen Versorgungssituation engagiert – eine besonders erfolgreiche Arbeit der Abteilungen Mikrobiologie und Virologie.

Wie entwickelt sich die Digitalisierung beim PEI?

Cichutek: Wir erleben zunehmend, dass die Öffentlichkeit sich für die Relevanz unserer Arbeit interessiert. Danach richten wir unsere Kommunikation aus. Wir bereiten wissenschaftliche Themen allgemeinverständlich auf, bieten FAQs zu den wichtigsten Themen an und nutzen die Reichweite digitaler Kanäle. Bürgerinnen und Bürger können uns auf Twitter, YouTube und LinkedIn erreichen. Dafür haben wir uns auch personell verstärkt. Wir leisten mit unserer regulatorischen und wissenschaftlichen Arbeit einen wertvollen Beitrag für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland, Europa und darüber hinaus. Das soll transparent bei den Menschen ankommen.

Vieths: Auch bei der Bearbeitung regulatorischer Prozesse hat die Digitalisierung Fortschritte gemacht. Seit 2018 müssen Unternehmen alle Zulassungsverfahren, ob national für Deutschland oder europäische Verfahren, elektronisch einreichen. Eine durchgängig elektronische Bearbeitung verschlankt und standardisiert Prozesse und macht sie transparent. Der nächste Schritt ist die papierlose Bearbeitung der Chargenprüfung von der Einreichung bis zum elektronischen Bescheid als Download. Voraussetzung für die Digitalisierung sind leistungsfähige Informationstechnologien und deren kontinuierliche Weiterentwicklung.

Welche personellen Veränderungen gab es 2017/18?

Cichutek: 2017/18 haben wir wichtige Managementfunktionen neu besetzt. Prof. Vera Mahler übernahm als ausgewiesene klinische Fachexpertin die Abteilung Allergologie. Die Abteilung Grundsatzfragen, Koordination leitet seit 2018 Dr. Micha Nübling, der nach einem erfolgreichen Aufenthalt bei der WHO an das PEI zurückgekehrt ist und unsere Bewerbung als EU-Referenzlabor im Sinne der europäischen IVD-Verordnung vorantreibt.

2017 verglich die BEMA zum vierten Mal die Leistungen der europäischen Arzneimittelagenturen. Wie war das Ergebnis und was bedeutet es für das PEI?

Vieths: Beim 4. Europäischen Benchmarking – der BEMA – konnten wir unsere Bewertungen in den meisten Bereichen deutlich steigern. Von den Themen, die wir noch bearbeiten müssen, haben wir diejenigen identifiziert, die für uns prioritär sind. Dazu gehören unter anderem digitale Prozesse und IT-Unterstützung sowie die PEI-weite Implementierung eines risikobasierten Ansatzes im regulatorischen Bereich. Die BEMA zeigt die Leistung des PEI im innereuropäischen Vergleich, ist aber auch eine Qualitätssicherung für unsere eigenen Prozesse.

Wie stellt sich das PEI für die nächsten Jahre auf?

Cichutek: Übergeordnetes Ziel ist es, die Zukunftsfähigkeit des PEI in einem sich ständig ändernden Umfeld mit wachsenden Anforderungen sicherzustellen. Dafür treiben wir den Maßnahmenplan, basierend auf der PEI-Strategie 2020, voran. Mit Unterstützung eines externen Beratungsunternehmens führen wir eine Organisationsuntersuchung durch, die 2019 in einer Personalbedarfsermittlung resultieren wird. Diese ist Voraussetzung, um ausreichend Stellen für die ständig wachsenden Amtsaufgaben zur Verfügung zu haben – und den großen Anteil von befristeten Beschäftigungen in die Entfristung zu führen. Dabei muss auch klar sein: Wir stellen wissenschaftliche Leistung bereit, die einen hohen Wert für Patientinnen und Patienten hat – und uns ermöglicht, unabhängig und auf Augenhöhe mit pharmazeutischen Unternehmen und international anerkannter Forschung zu agieren.

Vieths: Der Neubau des PEI ist zukunftsweisend: Energieeffizient, nach neuestem Stand der Technik, mit hochwertigen Laboren und Raum für moderne Arbeitsstrukturen.

Aktualisiert: 21.06.2019