Paul-Ehrlich-Institut

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Wie die Sicherheit von Arzneimitteln überwacht wird – Eine Einführung

Arzneimittel sind dazu bestimmt, Krankheiten zu heilen oder zu lindern, manchmal sogar dafür zu sorgen, dass Krankheiten oder Beschwerden gar nicht erst auftreten. Bei der Gabe eines Arzneimittels oder Impfstoffs können Nebenwirkungen auftreten, daher werden alle Arzneimittel auch nach ihrer Zulassung fortlaufend und systematisch überwacht. In Deutschland ist es Aufgabe des Paul-Ehrlich-Instituts, die Sicherheit von Impfstoffen und biomedizinischen Arzneimitteln zu überwachen.

Wie die Sicherheit von Arzneimitteln überwacht wird – Eine Einführung

Umfassende Prüfungen vor einer Arzneimittelzulassung

Bevor ein Arzneimittel zugelassen wird und nach der Zulassung angewendet werden darf, müssen seine Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit nachgewiesen werden. Entsprechende Daten erhebt der Entwickler bei der Herstellung und in weitreichenden nichtklinischen Untersuchungen und kontrollierten klinischen Prüfungen.

Zunächst wird ein Wirkstoff in Laborversuchen und genehmigungspflichtigen Tierversuchen getestet, bevor er in klinischen Prüfungen der Phase I zum ersten Mal wenigen Menschen verabreicht wird. Es handelt sich in der Regel um gesunde Probandinnen und Probanden. In der Phase-I-Studie wird vor allem die Verträglichkeit des Arzneimittels geprüft, d. h. ob es für die Anwendung am Menschen generell geeignet ist. Daran schließen sich die Phase-II-Studien – häufig mit 100 bis 300 Personen – an, um erste Daten über die Wirksamkeit eines Arzneimittels bei der Erkrankung für die es vorgesehen ist zu erheben und zu bewerten. Im Mittelpunkt steht hierbei die optimale Dosierung. Die Phase-III-Studien werden dann in der Regel mit einer großen Anzahl von Probandinnen und Probanden durchgeführt, um Informationen über die Wirksamkeit und Sicherheit, d. h. häufige, gelegentliche oder sogar seltene (1:1.000) Nebenwirkungen eines Arzneimittels zu sammeln. Diese kontrollierten randomisierten klinischen Prüfungen, in denen im Allgemeinen die Probandinnen und Probanden in der Kontrollgruppe entweder mit der Standardtherapie oder einem Placebo behandelt werden, liefern belastbare Ergebnisse von hoher Evidenz und bilden die Basis für die erste Nutzen-Risiko-Bewertung durch die Arzneimittelbehörden bei der Zulassung.

Alle klinischen Prüfungen sind in Deutschland und der Europäischen Union (EU) durch die zuständige nationale Arzneimittelbehörde zu genehmigen und erfordern dafür auch eine Zustimmung der zuständigen Ethikkommission. In Deutschland ist das Paul-Ehrlich-Institut für die Genehmigung klinischer Prüfungen von Impfstoffen und biomedizinischen Arzneimittel (immunologische Arzneimittel wie Sera, monoklonale Antiköper und Antikörperderivate, Fusionsproteine mit Antikörperanteil und Immuntherapeutika, Allergene, Blutstammzellen, Gerinnungsfaktorpräparate, Gewebezubereitungen und Arzneimittel für neuartige Therapien) zuständig.

Nutzen-Risiko-Bewertung für Arzneimittelzulassung

Die in den nichtklinischen und klinischen Prüfungen erhobenen Daten werden mit dem Zulassungsantrag vorgelegt und von den Expertinnen und Experten der zuständigen Arzneimittelbehörde analysiert und bewertet. Bei einem EU-weit zentralisierten Zulassungsverfahren bewerten die Expertinnen und Experten der nationalen Arzneimittelbehörden im Ausschuss für Humanarzneimittel (Committee for Medicinal Products for Human Use, CHMP) bei der Europäischen Arzneimittelagentur (European Medicines Agency, EMA) den Zulassungsantrag.

Der CHMP empfiehlt bei Vorliegen eines günstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses die Zulassung. Das Paul-Ehrlich-Institut ist mit einem kooptierten Mitglied, d. h. einem aufgrund seines besonderen Know-hows gewählten Experten, im CHMP vertreten. Weitere Mitglieder des CHMP sind je eine Expertin oder ein Experte jeder nationalen Arzneimittelbehörde der EU-Mitgliedstaaten sowie je ein Experte oder eine Expertin der Arzneimittelbehörden der zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) gehörenden Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen. Die Europäische Kommission kann auf Basis der CHMP-Empfehlung die Zulassung erteilen.

Ein Arzneimittel erhält nur dann eine Zulassung, wenn die Bewertung der mit einem Zulassungsantrag vorgelegten Daten ergab, dass das Nutzen-Risiko-Verhältnis des Arzneimittelprodukts günstig ist.

Arzneimittelüberwachung nach der Zulassung

Auch nach der Zulassung muss ein Arzneimittelprodukt ein günstiges Nutzen-Risikoverhältnis aufweisen. Daher ist es wichtig, die Sicherheit eines Arzneimittels auch nach der Zulassung fortlaufend und systematisch zu überwachen. Auch seltene und sehr seltene Nebenwirkungen können nach der Zulassung und Markteinführung noch erkannt werden, wenn eine sehr große Anzahl Personen geimpft bzw. eine sehr große Anzahl an Patientinnen und Patienten behandelt wurden.

Alle Aktivitäten, die sich mit der Beobachtung, Aufdeckung, Bewertung, dem Verstehen und der Prävention von Nebenwirkungen oder von anderen Arzneimittel-bezogenen Problemen befassen, werden als Pharmakovigilanz bezeichnet. Die Daten und Erkenntnisse aus nationalen, europäischen sowie weiteren internationalen klinischen Prüfungen und Studien bilden eine wichtige Grundlage für die Bewertung des Nutzens und der Sicherheit eines Arzneimittelprodukts. Die Arbeit der Pharmakovigilanz erfolgt in enger europäischer sowie internationaler Zusammenarbeit der Arzneimittelbehörden.

Weitere wichtige Bausteine der Pharmakovigilanz sind:

  • Das Spontanmeldesystem zur Erfassung von Verdachtsfällen von Nebenwirkungen durch die zuständige Arzneimittelbehörde: Es kann wertvolle Hinweise (Signale) auf seltene, bislang unbekannte Nebenwirkungen geben. Im Spontanmeldesystem werden Verdachtsfälle von unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW), die allgemein als Nebenwirkungen bezeichnet werden, erfasst, die außerhalb systematischer Untersuchungen "spontan" dokumentiert und berichtet werden. Die Meldung eines Verdachtsfalls einer Nebenwirkung bzw. einer unerwünschten Impfreaktion oder Impfkomplikation nach Impfung kann durch Betroffene bzw. deren Angehörige sowie Angehörige der Gesundheitsberufe erfolgen. Ärztinnen und Ärzte sowie Apothekerinnen und Apotheker sind nach ihrer Berufsordnung dazu verpflichtet den Verdacht auf Nebenwirkungen zu melden. Bei Impfkomplikationen, d. h. gesundheitlichen Beschwerden, die über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehen, sind Ärztinnen und Ärzte sowie Leiterinnen und Leiter der Apotheken, die Impfungen durchführen, zudem nach dem Infektionsschutzgesetz verpflichtet, den Verdacht zu melden.
  • Die regelmäßig aktualisierten Unbedenklichkeitsberichte (Periodic Safety Update Reports, PSURs) der Zulassungsinhaber, die den Arzneimittelbehörden in festgelegten Zeitabständen vorzulegen sind: Ein PSUR wird einer Beurteilung durch die zuständige Arzneimittelbehörde unterzogen, die wiederum die vorgelegten Daten inhaltlich prüft und die Schlussfolgerungen des pharmazeutischen Unternehmers bewertet. Falls erforderlich, werden weitere Auswertungen veranlasst und ggfs. beispielsweise die Produktinformationstexte entsprechend abgeändert.
  • Die Durchführung von risikominimierenden Maßnahmen, die in Risiko-Management-Plänen mit der Zulassung festgelegt werden: Ein Risiko-Management-Plan stellt sicher, dass schon zum Zeitpunkt der Zulassung eines Arzneimittels eine strukturierte Planung möglicher Risikominimierungsmaßnahmen und weiterführender Untersuchungen zur Sicherheit existiert.
  • Studien nach der Zulassung, zum Beispiel klinische Prüfungen der Phase IV oder Anwendungsbeobachtungen (AWB).

In Deutschland übernimmt das Paul-Ehrlich-Institut die regulatorischen Aufgaben der Pharmakovigilanz bei Impfstoffen und biomedizinischen Arzneimitteln und leistet so einen wichtigen Beitrag zum Schutz von zu impfenden Personen und zu behandelnden Patientinnen und Patienten vor Arzneimittelrisiken.

Aktualisiert: 05.05.2023