Paul-Ehrlich-Institut

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Informationen zu den Hepatitis C-Virus (HCV)-Übertragungen durch Gefrorenes Frischplasma (GFP) in Göttingen und zu den Verantwortlichkeiten

5 / 1999

Ereignisse bis zu den Infektionen

1. Im Juli 1998 hatte die Mediplasma Gesellschaft für Blutplasma- und Eigenblutspende mbH dem Regierungspräsidium in Kassel, zuständig für die Überwachung der ordnungsgemäßen Herstellung (Überwachungsbehörde), und dem Paul-Ehrlich-Institut, zuständig für die Zulassung von Blutprodukten und Testpräparaten (Zulassungsbehörde), mitgeteilt, daß der Spender mit der Spendernummer 2050 nach dem Testergebnis vom 9. Juli 1998 mit HCV infiziert ist. Weiterhin wurde mitgeteilt, daß die unmittelbar vorhergehenden Spenden dieses Spenders bis einschließlich der Spende vom 10. November 1997 verworfen worden sind.

2. Mit Schreiben vom 15. Januar 1999 hatte die Firma Mediplasma die Uniklinik Göttingen davon unterrichtet, daß eine im Dezember 1998 festgestellte HCV-Infektion eines Patienten der Göttinger Universitätsklinik auf eine Plasmaspende des Spenders 2050 zurückzuführen ist. Diese Information ist als Meldung einer unerwünschten Arzneimittelwirkung von der Firma Mediplasma dem Paul-Ehrlich-Institut mitgeteilt worden, das seinerseits die Überwachungsbehörde mit Schreiben vom 1. Februar 1999 unterrichtet hat. Die Untersuchung der Empfänger weiterer Plasmaspenden des Spenders 2050 zurück bis zur Spende vom 24. März 1997 wurde von Mediplasma ausgelöst.

3. Die Rückverfolgung ergab, daß insgesamt acht Patienten in Göttingen mit großer Wahrscheinlichkeit durch Plasmaspenden des Spenders 2050 infiziert wurden. Diese HCV-Übertragungen fanden im Zeitraum vom 15. Juni 1998 bis 15. Oktober 1998 statt

4. Die Erkenntnis, daß infizierte Spenden die Infektion bei den Patienten ausgelöst hatten, kam unerwartet. In der Fachwelt wird davon ausgegangen, daß GFP aufgrund der weitreichenden Sicherheitsmaßnahmen, wie Testung der Spender und eine sechsmonatige Quarantänelagerung, sicher sind. Die Quarantänelagerung für GFP ist mit Wirkung vom 1. September 1994 nach ausführlicher Diskussion mit den beteiligten Fachleuten, zum Beispiel im Arbeitskreis Blut, eingeführt worden. Sinn der Quarantänelagerung ist, das GFP nur dann freizugeben, wenn der Spender auch ein halbes Jahr (sechs Monate) nach der ursprünglichen Spende in entsprechenden Laboruntersuchungen keine Anzeichen einer Infektion zeigt. Dieses Verfahren hat sich bewährt, da bis zu diesem Zeitpunkt keine Virusübertragungen durch in Quarantäne gelagertes Plasma bekannt geworden waren.

Aufklärung durch die Behörden

5. Die unerwartete Übertragung warf daher die Frage auf, ob die Infektion des Spenders entweder durch fehlerhafte Testanwendung oder durch ein Versagen des Tests selbst zu spät erkannt wurde. Zur Abklärung dieser Möglichkeiten verlangte und erhielt das Paul-Ehrlich-Institut bei einem mit der zuständigen Überwachungsbehörde abgesprochenen Termin beim Hersteller am 11. Februar 1999 Rückstellproben von Blutabnahmen und Spenden des Spenders 2050. Die zuständige Überwachungsbehörde hat an diesem Termin nicht teilgenommen.

6. Das bei der Untersuchung des Spenders 2050 bis Juni 1998 verwendete Testpräparat war seit Mitte 1998 nicht mehr auf dem deutschen Markt erhältlich, da es vom Hersteller dieses Testkits durch eine Nachfolgeversion ersetzt worden war. Die Überprüfung der Proben konnte erst begonnen werden, nachdem die ursprüngliche Testversion aus dem Ausland beschafft werden konnte. Dies war am 30. März 1999 der Fall. Die unmittelbar darauf im April 1999 erfolgende experimentelle Untersuchung am Paul-Ehrlich-Institut zeigte eindeutig, daß die Infektion des Spenders nicht durch eine fehlerhafte Testanwendung (wie etwa 1993 bei UB Plasma in Koblenz durch vorsätzliches Poolen von Einzelspenden vor dem Testen, weswegen HIV-Infektionen erfolgten), sondern durch ein Versagen des Tests selbst zu spät erkannt wurde. Dieses Ergebnis wurde der zuständigen Überwachungsbehörde noch im April 1999 durch das Paul-Ehrlich-Institut mitgeteilt.

7. Das den Spender 2050 nicht erkennende Testpräparat war vor der Zulassung sowohl vom Hersteller dieses Testpräparates als auch vom Paul-Ehrlich-Institut in zahlreichen Untersuchungen überprüft worden. Auch danach war noch 1998 in einer vergleichenden Überprüfung die Sicherheit des Tests bestätigt worden. Die Ergebnisse waren vergleichbar mit denen anderer Testpräparate. Die Nachfolgeversion dieses Testpräparates wie auch andere auf dem Markt befindliche Tests hätten aber die Infektion des Spenders bereits im Januar 1998 erkannt. Eine von diesem Zeitpunkt aus berechnete rückwirkende halbjährige Sperre hätte alle HCV-Übertragungen verhindert, da die erste infektiöse Spende vom 24. September 1997 stammte. Entscheidend für die HCV-Übertragungen war daher das Versagen des Tests.

8. Die weitergehende Diskussion und Analyse des Falles im Mai und Juni dieses Jahres führten zu der Einschätzung des Paul-Ehrlich-Instituts, daß durch Befolgung der allgemein geltenden Standards und der firmeneigenen Arbeitsanweisungen sowie bei Beachtung der im Transfusionsgesetz vorgeschriebenen Rückverfolgungsverfahren (Look back) die Übertragungen zumindest teilweise hätten verhindert werden können. Diese Frage ist nach Pressemeldungen Gegenstand einer Untersuchung der Staatsanwaltschaft in Göttingen.

9. Eine Inspektion der zuständigen Überwachungsbehörde unter Beteiligung des Paul-Ehrlich-Instituts am 6. Juli 1999 bestätigte diese Einschätzung. Ergebnis dieser Inspektion war aber auch, daß es keinen Hinweis darauf gibt, daß mit GFP, das von anderen Spendern als dem Spender 2050 stammt, ein Infektionsrisiko verbunden ist.

10. Ein Untersagen der Anwendung des den Spender 2050 nicht erkennenden Testpräparats war unnötig, da dieses Produkt seit dem 6. Juni 1998 in Deutschland nicht mehr verkauft wurde. Das Verfalldatum der letzten Charge war der 15. September 1998. Etwa ein halbes Jahr später wurde erst erkannt, daß der Test bei einer einzelnen Person versagt hat.

11. Weltweit ist dies der erste dem Paul-Ehrlich-Institut bekannte Fall, daß über Monate hin anti-HCV-Antikörper von einem Test im Gegensatz zu anderen Tests nicht erkannt wird, trotz jahrelanger weltweiter Anwendung derartiger Testverfahren im Blutspendewesen. Die Wahrscheinlichkeit, daß ein zweiter Blutspender entdeckt wird, bei dem eine HCV-Infektion durch dieses Testpräparat nicht erkannt wurde, ist extrem gering. Andererseits ist auf Grund der Anwendung ähnlicher Testprinzipien nicht unerwartet, daß auch der eine oder andere Test dieselbe infizierte Person oder eine andere vereinzelt nicht erkennt.

Folgerungen

12. Das Paul-Ehrlich-Institut hat den Landesbehörden jetzt angeraten, im Falle der Feststellung einer Infektion eines Blut- oder Plasmaspenders alle früheren Plasmaspenden sperren zu lassen, bis nach einer entsprechenden Fachdiskussion, zum Beispiel im Arbeitskreis Blut, festgelegt wird, ob oder unter welchen Bedingungen generell solche Spenden für eine Anwendung freigegeben werden können.

13. Das Paul-Ehrlich-Institut wird die seit 1. April 1999 greifende Auflage, Blutspenden mit einem Verfahren zum Nachweis der Erbsubstanz von HCV (einer sogenannten Nukleinsäure-Amplifikations-Technik (HCV-NAT), von der eine Form die Polymerasekettenreaktion (HCV-PCR) ist), auch auf GFP, wie sie in Plasmapheresezentren hergestellt werden, nach einem Stufenplanverfahren ausdehnen. Damit wird die im Vergleich zur Situation bei Blutspenden durch die Quarantänelagerung erhöhte Sicherheit auch bei den Herstellern ausgebaut, die nicht bereits eigenverantwortlich solche Prüfverfahren eingeführt haben. Durch diese Maßnahme wird das Paul-Ehrlich-Institut, wie bereits bei der Einführung der HCV-NAT bei Blutspenden, im internationalen Vergleich eine Vorreiterrolle spielen und den bereits sehr hohen Sicherheitsstandard in Deutschland weiter verbessern. Es muß aber auch darauf hingewiesen werden, daß Situationen nicht ausgeschlossen werden können, in denen die Grenzen auch der neuen Techniken erkennbar werden.

Anhänge

14. In den beiden Anhängen finden Sie Hintergrundinformationen zur Festlegung der Verantwortlichkeiten nach dem Arzneimittelgesetz und zum betroffenen Produkt selbst.

Pressekontakt:
Paul-Ehrlich-Institut
Pressestelle
Dr. Susanne Stöcker, Dörte Ruhaltinger
Paul-Ehrlich-Straße 51-59
63225 Langen
GERMANY
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Telefax: +49 6103 77 1262
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Aktualisiert: 16.07.1999