Paul-Ehrlich-Institut

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Blut und Blutprodukte aus Großbritannien sind generell nicht auf dem deutschen Markt

10 / 2000

Jüngste Pressemeldungen, dass die in Großbritannien aufgetretene, vermutlich durch den Erreger des "Rinder-Wahnsinns" ausgelöste Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJK) durch Blut übertragen werden könnte, haben bei vielen Personen die Sorge ausgelöst, auch in Deutschland durch Blut und Blutprodukte aus Großbritannien infiziert werden zu können. "Blut und Blutprodukte aus Großbritannien sind jedoch generell nicht auf dem deutschen Markt", so Prof. Johannes Löwer, der Leiter des Paul-Ehrlich-Instituts, der in Deutschland für die Zulassung von Blut und Blutprodukten zuständigen Behörde. Um Blutkomponenten, die Patienten direkt transfundiert werden, oder Produkte, die industriell aus Blutplasma hergestellt werden, auf den deutschen Markt bringen zu dürfen, ist eine Zulassung durch schriftlichen Bescheid des Paul-Ehrlich-Instituts notwendig. Im Zulassungsverfahren wird geprüft und schriftlich festgelegt, aus welchen Blutspendeeinrichtungen und damit aus welchen Ländern Blut und Plasma stammen dürfen. "Blut- und Plasmaspendeeinrichtungen in Großbritannien sind in der Vergangenheit und werden auch in Zukunft nicht vom Paul-Ehrlich-Institut akzeptiert" so Prof. Löwer weiter. Diese Festlegungen werden seit 1996 bei der staatlichen Freigabe jeder einzelnen Charge von Plasmaprodukten durch das Paul-Ehrlich-Institut überprüft sowie bei Inspektionen der Herstellungsbetriebe, die die Länderbehörden zusammen mit dem Paul-Ehrlich-Institut regelmäßig durchführen, kontrolliert.

In Großbritannien sind seit dem erstmaligen Auftreten im Jahre 1996 82 gesicherte bzw. wahrscheinliche Fälle (Stand: 4. September 2000) von vCJK beobachtet worden. Bei der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK) handelt es sich um eine Erkrankung des Gehirns, die in der Regel innerhalb eines Jahres zum Tode führt. Sie kann mit Material aus dem zentralen Nervensystem auf andere Empfänger übertragen werden, ist aber bei Kontakten mit Erkrankten nicht infektiös wie viele Krankheiten, die durch Viren oder Bakterien ausgelöst werden. Insbesondere gibt es epidemiologisch keinen Hinweis, dass die klassischen Formen der CJK durch Blut und Blutprodukte übertragen werden. Eine solche Aussage kann für die vCJK nicht getroffen werden, da der Beobachtungszeitraum noch zu kurz ist. Vielmehr wurde die andersartige Verteilung des Erregers im Körper als Hinweis dafür genommen, dass eine Übertragung durch Blut und Blutprodukte theoretisch möglich sein könnte. Diese Überlegungen werden gestützt durch jüngste wissenschaftliche Veröffentlichungen über Untersuchungen an Schafen, die experimentell durch Fütterung von Material aus an boviner spongiformer Enzephalopathie (BSE, "Rinder-Wahnsinn") erkrankten Rindern infiziert wurden und bei denen die Erkrankung durch Blut auf andere Tiere übertragen werden konnte.

Bereits seit Frühjahr 1998, als die Besonderheiten von vCJK bekannt wurden, hat das Paul-Ehrlich-Institut sich bei Beratungen in der Europäischen Arzneimittelbehörde EMEA dafür eingesetzt, dass grundsätzlich international kein Blutplasma aus Großbritannien mehr zur Herstellung von Arzneimitteln benutzt wird. Es sah sich dabei in Übereinstimmung mit den anderen europäischen Behörden, insbesondere auch mit der britischen, die für das eigene Land die Herstellung von Plasmaprodukten aus britischen Plasma untersagt hat.

Bei Blutkomponenten zur Transfusion, z.B. bei Konzentraten aus roten Blutkörperchen oder Blutplättchen, bestand und besteht generell kein grenzüberschreitender Handel. Dies ist, wie erwähnt, in den jeweiligen Zulassungen verbindlich festgeschrieben. Dies schließt jedoch nicht aus, dass bei lebensbedrohlichen Notfällen eine Blutspende mit einer seltenen Blutgruppe aus dem Ausland bezogen werden kann, wenn sie im Inland nicht rechtzeitig zur Verfügung steht.

Mit den beschriebenen Festlegungen wird das wichtigste denkbare Ausgangsmaterial für mögliche vCJK-Übertragungen durch Blut und Blutprodukte ausgeschlossen. Zur Diskussion steht die Frage, ob der Ausschluss von Spenden aus Großbritannien ergänzt werden sollte durch den Ausschluss von Personen außerhalb Großbritanniens, die dem Risiko einer vCJK-Infektion ausgesetzt waren. Da vCJK wahrscheinlich durch das Verzehren von Nahrungsmitteln ausgelöst wird, die Material von BSE infizierten Rindern enthielten, was in den Jahren zwischen 1980 und 1996 möglich war, gehören zu dieser Gruppe alle Personen, die sich in den genannten Jahren in Großbritannien aufgehalten und dort Nahrung zu sich genommen haben. Ein Ausschluss dieser Personengruppe in ihrer Gesamtheit würde aber zu einem unverantwortlichen Mangel an Blut und Blutprodukten in Deutschland führen. Dieser Effekt wird abgemildert, wenn nur Personen ausgeschlossen werden, die sich für eine bestimmte Mindestzeit in Großbritannien aufgehalten haben. Welche Grenze gesetzt werden kann, ohne die Versorgung mit lebenswichtigem Blut zu gefährden, wird zur Zeit europaweit untersucht. Da aber nicht auszuschließen ist, dass eine Infektion bereits bei einem eintägigen Aufenthalt in Großbritannien auftritt (oder in Frankreich, wo bisher zwei gesicherte Fälle von vCJK beschrieben sind), ist jede mögliche Maßnahme unvollständig, so lange nicht ganz auf Blut und Blutprodukte verzichtet werden kann. Da dies aus medizinischen Gründen nicht möglich ist, muss erneut auf einen verantwortungsbewussten Gebrauch von Blut und Blutprodukten hingewiesen werden. Das Transfusionsgesetz aus dem Jahr 1998, das die Einrichtung von Transfusionskommissionen und Transfusionsbeauftragten an jeder Klinik fordert, hat dazu den Boden bereitet.

Die Sicherheit von Blut und Blutprodukten hat bei allen Beteiligten eine hohe Priorität. Deswegen werden immer wieder neue Verfahren eingeführt wie zur Zeit die sogenannte Leukozytendepletion, bei der unerwünschte Blutzellen, die auch als Träger der Infektiosität bei CJK und vCJK gelten, aus Blutspenden entfernt werden. Mit Blick auf die zahlreichen ergriffenen Maßnahmen sowie das außerordentlich seltene Auftreten von vCJK außerhalb Großbritanniens (in Deutschland ist bisher kein Fall berichtet worden) sollte die medizinisch notwendige Gabe von Blut und Blutprodukten von den betroffenen Patienten auch angenommen werden.

Pressekontakt:
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Aktualisiert: 27.09.2000