Paul-Ehrlich-Institut

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Freigabe von COVID-19-Impfstoffchargen durch Arzneimittelkontrolllabore der EU: Herausforderungen und Erfolge

06 / 2023

  • Zur Bekämpfung der SARS-CoV-2-Pandemie wurden COVID-19-Impfstoffe schnell, aber mit der gebotenen Sorgfalt entwickelt.
  • Durch vorausschauende Zusammenarbeit der amtlichen nationalen Kontrolllabore der EU-Arzneimittelbehörden und der Impfstoffhersteller konnten bereits direkt nach der Zulassung der COVID-19-Impfstoffe Chargen auf Qualität geprüft und eine große Anzahl Impfstoffdosen freigegeben werden.
  • Das bestehende europäische System amtlicher Kontrolllabore erwies sich in der SARS-CoV-2-Pandemie auch aufgrund der engen Zusammenarbeit von Zulassung und Produktprüfung als erfolgreich.

Zitat Prof. Klaus Cichutek

Pressemitteilung

Die schnelle Zulassung der ersten mit der gebotenen Sorgfalt entwickelten und geprüften COVID-19-Impfstoffprodukte stellte die amtlichen Kontrolllabore in Europa vor große Herausforderungen. Durch vorausschauende Vorbereitungen, Arbeitsteilung und gute Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten konnten erste Chargen mit einer jeweils großen Anzahl von COVID-19-Impfstoffdosen bereits zum Zeitpunkt der jeweiligen Zulassung nach vom Hersteller unabhängiger Chargenprüfung für den Markt freigegeben werden. Wie dies erfolgreich gelang, berichten Mitarbeitende des Europäischen Direktorats für die Qualität von Arzneimitteln (European Directorate for the Quality of Medicines & HealthCare, EDQM) und verschiedener nationaler Arzneimittelbehörden und Kontrolllabore, darunter ein Experte des Paul-Ehrlich-Instituts.

Illustration Chargenprüfung COVID-19 Impfstoffe (Quelle: BluePlanetStudio/Shutterstock.com)

Strenge Regularien bei Impfstoffkontrolle

Die unabhängige Qualitätskontrolle von Impfstoffen nach der Herstellung wird in der Europäischen Union (EU) durch eine Leitlinie zur staatlichen Chargenfreigabe, die sogenannte OCABR-Leitlinie (Official Control Authority Batch Release, Offizielle Kontrollbehörde Chargenfreigabe) geregelt. Die Ausstellung eines Zertifikats für jede einzelne Charge erfolgt nach experimenteller Prüfung innerhalb des Netzwerks der offiziellen Arzneimittelkontrolllabore (Official Medicines Control Laboratories, OMCL), gefolgt von der staatlichen Chargenfreigabe. Zu diesem Netzwerk gehören amtliche Kontrolllabore innerhalb der EU, des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) und der Schweiz. Das Paul-Ehrlich-Institut ist als OMCL, d.h. als amtliches Kontrolllabor mit der Aufgabe der Chargenprüfung und -freigabe, Teil dieses Netzwerks. Nur bei einer erfolgreich geprüften Charge erhält der Hersteller ein EU-OCABR (Official Control Authority Batch Release)-Zertifikat.

Das EU-OCABR-System wird durch das Europäische Direktorat für die Qualität von Arzneimitteln (European Directorate for the Quality of Medicines and HealthCare, EDQM) koordiniert.

Pandemie-bedingte Herausforderungen an Chargenfreigabe

Seit Beginn der SARS-CoV-2-Pandemie wurden weltweit in hohem Tempo COVID-19-Impfstoffprodukte bis zur Zulassung entwickelt. Ziel war es, möglichst schnell eine sehr große Anzahl qualitativ hochwertiger, sicherer und wirksamer Impfstoffdosen zum Schutz der Bevölkerung zur Verfügung zu stellen, ohne die notwendige Sorgfalt bei der Impfstoffentwicklung und -zulassung zu vernachlässigen.

Das bestehende europäische Netzwerk der amtlichen Kontrolle der Impfstoffchargen bereitete sich parallel zur Impfstoffentwicklung auf die experimentelle Chargenprüfung einer großen Anzahl Chargen verschiedener COVID-19-Impfstoffprodukte vor.

Neue Impfstofftypen – neue Leitlinien

Die vielversprechendsten Kandidaten für eine zeitnahe Zulassung waren solche Impfstoffprodukte, die auf sogenannten Plattform-Technologien basierten. Hierzu gehörten beispielsweise die mRNA- oder die viralen Vektor-Impfstoffe. Für diese neuen Impfstofftypen mussten geeignete Testverfahren bestimmt und in den OCABR-Leitlinien beschrieben werden. Im November 2020 wurden drei neue Leitlinien veröffentlicht.

Die OMCL bereiteten sich auf die experimentelle Chargenprüfung vor, beispielsweise durch Anschaffung neuer Geräte und Materialien, Etablierung neuer Methoden und Erhöhung der Personalkapazität und Schulung. Erschwert wurde die Vorbereitung durch die notwendige Einhaltung von Pandemie-bedingten Schutzmaßnahmen: Geschlossene Grenzen führten zu Lieferengpässen und Problemen in der Logistik. Die Gefahr von SARS-CoV-2-Infektionen des Personals erschwerten die Umsetzung der Vorbereitungen.

Obwohl nicht vorhersehbar war, welche Impfstoffkandidaten eine Zulassung erhalten würden, wurden die Vorbereitungen für verschiedenste Impfstoffkandidaten getroffen. Damit für die jeweiligen Impfstoffe das geeignete amtliche Kontrolllabor als zuständiges OMCL definiert werden konnte, informierte das OCABR-Netzwerk die Hersteller über die verschiedenen Prüfmethoden, die die jeweiligen OMCL des Netzwerks vorhielten. Die Chargenprüfung jedes Impfstoffprodukts sollte in mindestens zwei amtlichen Kontrolllaboren getestet werden können, um für eventuelle Ausfälle eines Labors gewappnet zu sein.

Die Qualitätsprüfungen liefen durch die hohe Nachfrage nach COVID-19-Impfstoffdosen unter hohem Zeitdruck ab. Statt innerhalb der üblichen Frist von 60 Tagen wurden valide Ergebnisse innerhalb von Tagen, manchmal von Stunden eingefordert und geliefert. Gleichzeitig überprüften die Labore wie vor der Pandemie die Qualität der Chargen anderer Impfstoffprodukte und von aus menschlichem Blut und Plasma hergestellten Arzneimitteln – diese Arbeiten wurde nicht eingeschränkt. Die OMCL arbeiteten sieben Tage pro Woche und konnten so die Anforderungen erfüllen.

Prüfsystem hat sich bewährt

Das EU-weite System zur Chargenprüfung und damit Qualitätssicherung von Impfstoffen erwies sich auch in dieser schwierigen Situation als erfolgreich. Das bestehende Netzwerk der von dem EDQM koordinierten OMCL, das Verfahren der EU-Zertifikatausstellung und -anerkennung sowie die Vorgabe, jede Charge routinemäßig in nur einem OMCL zu testen, erwies sich in der Krise als robust. So konnte eine große Anzahl von Impfstoffchargen in sehr kurzer Zeit und dennoch den strengen Kriterien entsprechend geprüft werden. Alle für den Markt freigegebenen Impfstoffchargen erfüllten die erforderlichen Qualitätsstandards.

Die Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization, WHO) etablierte zudem ein Netzwerk nationaler Kontrolllabore (WHO-National Control Laboratory Network for Biologicals, NNB), um durch Kommunikation und Austausch zwischen den Mitgliedern das Vertrauen in die Chargenfreigabe durch nationale Kontrolllabore und Behörden zu fördern. Durch das WHO-NNB soll der Zugang zu Impfstoffen auf dem globalen Markt erleichtert werden, doppelte Qualitätsprüfungen sollen vermieden werden. Die meisten europäischen OMCL, die die Impfstoff-Chargenprüfung nach dem OCABR-System vornehmen, sind übrigens auch Vollmitglieder im WHO-NNB.

Mehr als die Hälfte der von den europäischen OMCL geprüften Chargen wurden außerhalb der EU/EWR auf den Markt gebracht und kamen in 160 Nicht-EU-Staaten zum Einsatz. Durch Transparenz und Kommunikation des OCABR-Systems sowie aufgrund der Unterstützung der WHO vertrauten auch nicht EU-Staaten dem EU-Zertifikat, sodass keine redundanten Chargenprüfungen erfolgten.

Möglich wurden diese Erfolge durch enge Zusammenarbeit von Arzneimittelbehörden, OMCL und Herstellern. Die weltweite Koalition für Innovationen in der Epidemievorbereitung (Coalition for Epidemic Preparedness Innovations, CEPI/COVAX) förderte diese Zusammenarbeit.

Originalpublikation

Der ausführliche Bericht erschien bei npj Vaccines (in Englisch):

Milne C, Wagner R, Cano F, Bruysters M, Waeterloos G, Pullirsch D, Wierer M, Mallet L (2023): Independent control of COVID-19 vaccines by EU Official Control Authority Batch Release: challenges, strengths and successes.
NPJ Vaccines Feb 23 [Epub ahead of print].
Text

Aktualisiert: 07.06.2023