Paul-Ehrlich-Institut

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Stellungnahme des Paul-Ehrlich-Institutes und der GTH (Gesellschaft für Thrombose und - Hämostaseforschung e.V.) zur Impfung mit den pandemischen Influenzaimpfstoffen Pandemrix oder Celvapan bei Patienten unter oraler Antikoagulation

Hinweis: Dies ist eine Archivinformation, hier geht es zum Überblick mit allen Informationen zur Influenza-Pandemie 2009/2010.

Die Anzahl der Patienten unter Therapie mit oralen Antikoagulationen bei den verschiedensten Grunderkrankungen hat in den letzten Jahren zugenommen. In der Fachinformation von Marcumar (Phenprocoumon) heißt es unter dem Punkt 5. Gegenanzeigen/ Besondere Vorsichtshinweise: "Intramuskuläre Injektionen dürfen unter Phenprocoumon-Therapie aufgrund der Gefahr massiver Einblutung in die Muskulatur nicht erfolgen".

In den klinischen Studien mit Pandemrix (adjuvantierter Splitimpfstoff) und Celvapan (Ganzvirusimpfstoff) ist jedoch ausschließlich die Wirksamkeit und Sicherheit von intramuskulären (i.m.) Verabreichungen bei Gesunden untersucht worden. Daten zu einer subkutanen (s.c.) Injektion liegen nicht vor.

In einer Pandemiesituation ist es unrealistisch allen Patienten unter oralen Antikoagulantien vor der Impfung den INR (international normalized ratio) Wert anzuheben oder sogar auf niedermolekulares Heparin umzustellen. Ein solches Vorgehen könnte nur in Einzelfällen in Erwägung gezogen werden.

Aus diesem Grunde hat man in den entsprechenden Fachinformationen von Pandemrix und Celvapan folgende Empfehlung ausgesprochen:

4.2. Art der Anwendung:
Die Impfung sollte intramuskulär, vorzugsweise in den Deltoidmuskel des Oberarms oder in den anterolateralen Bereich des Oberschenkels (je nach Muskelmasse) verabreicht werden.

4.3. Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnnahmen für die Anwendung:
Pandemrix darf unter keinen Umständen intravaskulär verabreicht werden. Es gibt keine Daten zur subkutanen Verabreichung von Pandemrix. Daher muss der Arzt entscheiden, ob die Anwendung des Impfstoffes bei Personen mit Thrombozytopenie oder einer Blutgerinnungsstörung, bei denen eine intramuskuläre Injektion kontraindiziert ist, gerechtfertigt ist und ob der mögliche Nutzen der Impfung das Risiko von Blutungen überwiegt.

Nach zwei Publikationen von Studien (Influenza vaccination in patients on long-term anticoagulant therapy von A.M. Iorio, Science Direct; Vaccine 24 (2006) 6624-6628 und Safety of intramuskular influenza vaccine in patients receiving oral anticoagulation therapy: a single blinded multi-centre randomized controlled clinical trial von J. Casajuana, BMC Blood Disord.2008;8:1) erscheint die i.m. Injektion in diesem Patientenkollektiv nicht komplikationsreicher als die subkutane Impfung.

In der ersten Studie wurden 104 Patienten mit einer stabilen antikoagulativen Therapie (INR von 2-3) entweder zunächst mit Fluad und dann mit einem Placebo oder umgekehrt erst mit einem Placebo und dann mit Fluad i.m. geimpft. Lokale Reaktionen nach Verabreichung des Impfstoffes traten in 16.3% auf. Einblutungen in den Muskel wurden in der Veröffentlichung nicht erwähnt, allerdings seien nach Fluad Applikation bei 11 Patienten petechiale Blutungen beobachtet worden. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass Patienten unter einer stabilen Antikoagultion durchaus i.m. geimpft werden können.

In einer zweiten Studie wurden Patienten unter oralen Antikoagulantien entweder i.m. (N=129) oder s.c. (N=100) mit einem saisonalen nicht adjuvantierten Influenzaimpfstoff geimpft. Endpunkte waren hier der Armumfang, Lokalreaktionen und INR-Änderungen nach 24 Stunden oder 10 Tagen. Das Ergebnis war, dass die intramuskuläre Verabreichung nicht zu einer Zunahme an unerwünschten Nebenwirkungen geführt hat. Im Gegenteil, es erscheint den Autoren sogar so, als wäre die i.m. Injektion von nicht-adjuvantierten Impfstoff besser verträglich als die subkutane Gabe.

Eine allgemeine Empfehlung entgegen der expliziten Warnhinweise aus der Fachinformation von Marcumar kann nach diesen zwei Veröffentlichungen jedoch noch nicht gegeben werden.

Dem gegenüber wird, obwohl es hierzu keine Studien gibt, die subkutane Verabreichung in keiner der Produktinformationen (Marcumar, Pandemrix oder Celvapan) ausgeschlossen. Vergleichende Daten zur i.m. versus s.c. Verabreichung die mit anderen Impfstoffen durchgeführt wurden lassen nicht darauf schließen, dass deren Wirksamkeit abnimmt. Somit ist auch nicht davon auszugehen, dass die Wirksamkeit von Pandemrix oder anderer pandemischer H1N1- Impfstoffe durch das Abweichen vom empfohlenen Applikationsweg (s.c. anstelle von i.m.) klinisch signifikant beeinträchtigt sein könnte. Allerdings muss man bei diesen Impfstoffen nach einer s.c. Gabe mit einem erhöhten Risiko für ausgeprägte Lokalreaktionen rechnen; auch könnten möglicherweise längerfristige Komplikationen (z.B. Fremdkörperreaktionen mit Nekrosen) auftreten. Zur Reduktion der lokalen Nebenwirkungen ist die prophylaktische Gabe von einem Antiphlogistikum (z.B. Paracetamol) zu überlegen.

Vor einer i.m. Gabe sollte der INR-Wert nicht > 3,0 liegen und keine Kombination mit Plättchenaggregationshemmern eingenommen werden.

Eine generelle Empfehlung, wie im Einzelfall zu handeln ist, kann daher derzeit nicht gegeben werden. Die ideale Vorgehensweise muss individuell in einem Gespräch zwischen Arzt und Patient gefunden werden.

Aktualisiert: 25.11.2009