Paul-Ehrlich-Institut

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1. Bericht: Information zu Verdachtsfallberichten, KW 44-45

Information zu Verdachtsfallberichten von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen nach Anwendung des in Deutschland zugelassenen Schweinegrippe (H1N1)-Impfstoffs Pandemrix

Einleitung

Diese Internetseite gibt einen Überblick über Verdachtsfallberichte von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen nach Impfung mit dem Schweinegrippe-Impfstoff Pandemrix, die beim Paul-Ehrlich-Institut in Kalenderwoche 44 und 45 (bis einschließlich Donnerstag 5.11.2009, 17:00 Uhr) eingegangen sind. Die Fälle wurden von Ärzten, Apothekern, Gesundheitsämtern und dem pharmazeutischen Unternehmer gemeldet. Eingeschlossen sind außerdem Meldungen aus der Bevölkerung, die nach Rücksprache mit den behandelten Ärzten/Ärztinnen validiert wurden.

Es wird darauf hingewiesen, dass es sich bei den Meldungen um Verdachtsfälle handelt, die in zeitlichem Zusammenhang mit der Impfung aufgetreten sind. Eine aufgeführte unerwünschte Reaktion bedeutet aber nicht notwendigerweise, dass ein ursächlicher Zusammenhang mit der Impfung besteht. Ein Berichtsfall (Verdachtsfall) kann auch mehrere unerwünschte Reaktionen beinhalten, z.B. Kopfschmerzen, Müdigkeit und Übelkeit.

Das Paul-Ehrlich-Institut wertet die eingegangenen Meldungen nach Registrierung in einer Datenbank dahingehend aus, ob sich aufgrund der vorliegenden Datenlage die Nutzen-Risiko-Bewertung des Impfstoffs ändert und deswegen gegebenenfalls Maßnahmen, z.B. nach dem Arzneimittelgesetz, zu ergreifen sind. Die Informationen werden in regelmäßigen Abständen aktualisiert. Das Paul-Ehrlich-Institut möchte entsprechend seinen Leitprinzipien durch größtmögliche Transparenz allen Interessierten die Möglichkeit geben, sich aktuell über die Datenlage zu informieren.

Es wird außerdem darauf hingewiesen, dass Zahl, Art und Schweregrad der aufgeführten Fälle keinen Rückschluss auf die tatsächliche Häufigkeit und das Spektrum von Nebenwirkungen erlauben. Die Meldungen bieten aber die Möglichkeit, etwaige Risikosignale zeitnah zu erkennen und gegebenenfalls darauf zu reagieren. Eine Online-Meldung von Verdachtsfällen ist über www.pei.de möglich.

Im genannten Zeitraum sind dem Paul-Ehrlich-Institut bei 59 Personen Verdachtsfälle von unerwünschten Reaktionen nach Impfung mit Pandemrix gemeldet worden. Die 59 Meldungen umfassen insgesamt 227 unerwünschte Ereignisse (Eine Verdachtsfallmeldung kann mehrere Reaktionen beinhalten). Die Patienten waren zwischen 16 und 77 Jahre alt (Mittelwert: 37,6 Jahre).

In keiner Meldung wurde über einen tödlichen Ausgang oder über einen bleibenden Schaden berichtet.

Am häufigsten wurden Lokalreaktionen an der Injektionsstelle (z.B. Schmerzhaftigkeit, Rötung, Schwellung) und Allgemeinreaktionen, die bekanntermaßen nach einer Impfung auftreten können (z.B. Kopfschmerzen, Fieber, Müdigkeit, Muskel- oder Gliederschmerzen, Übelkeit, Lymphknotenschwellung) berichtet. Diese Reaktionen sind in der Fach- und Gebrauchsinformation aufgeführt.

Einzelne unerwünschte Ereignisse werden detailliert dargestellt und diskutiert.

Reaktionen

Allergische Reaktionen

Bei sieben Impflingen wurden Hinweise auf eine allergische Reaktion bzw. Überempfindlichkeitsreaktion gemeldet. In zwei Fällen wurde eine anaphylaktische Reaktion berichtet:

  • Bei einem 37-jährigen Mann kam es 12 Minuten nach Impfung mit Pandemrix zu einer anaphylaktischen/anaphylaktoiden Reaktion, die unverzüglich vom impfenden Arzt behandelt wurde. Nach ca. 90 Minuten war der Patient wiederhergestellt. Bei dem Patienten liegt offenbar keine Hühnereiweißallergie vor, auch wurden andere Allergien oder Erkrankungen verneint. Eine allergologische Testung wurde empfohlen. Der ursächliche Zusammenhang zwischen der unerwünschten Reaktion und der Impfung wird vom PEI mit "wahrscheinlich" bewertet.
  • Eine 22-jährige Frau entwickelte nach der Impfung einen prä-kollaptischen Zustand und ein Ganzkörpererythem. Es wurde die Verdachtsdiagnose "Anaphylaktische Reaktion" gestellt. Nach 30 Minuten kam es zum Abklingen der Symptomatik. Bislang wurden weder Angaben zu eventuell bestehenden Allergien und Erkrankungen noch zur Therapie der Reaktion mitgeteilt. Wegen der lückenhaften Datenlage ist eine Bewertung des ursächlichen Zusammenhanges derzeit nicht möglich. Das PEI hat um weitere Angaben gebeten.

Pandemrix wird auf Hühnereiern hergestellt. Bei Personen mit bekannter Hühnereiweißallergie soll die Indikation einer Impfung gegen die Schweinegrippe sehr sorgfältig gestellt werden. Wird eine Entscheidung für die Impfung getroffen, sollte die Impfung nur durchgeführt werden, wenn die technischen und medikamentösen Voraussetzungen für eine Notfallbehandlung gegeben sind und der Impfling für mindestens eine Stunde beobachtet wird.

Darüber hinaus enthält der Impfstoff auch Formaldehyd, Gentamicinsulfat und Natriumdeoxycholat. Eine IgE-vermittelte, akute allergische Reaktion auf eine Impfung bei nachgewiesener Formaldehyd-Typ-I-Allergie ist bisher nicht bekannt geworden. Die weitaus größere Bedeutung hat Formaldehyd als Kontaktallergen1.

Gentamicinsulfat ist nur in Spuren im Impfstoff enthalten. Als Bestandteil in Impfstoffen stellen diese ein eher niedriges allergisches Risiko dar, wenngleich für viele dieser Stoffe Typ-I-Allergien beschrieben sind, so dass bei tatsächlichem Vorliegen einer solchen Sensibilisierung durchaus Vorsicht geboten ist. Wichtig ist festzustellen, dass in Impfstoffen keine Penicillin- und Cephalosporin-Antibiotika enthalten sind, gegen die relativ häufig Typ-I-Allergien bestehen. Diesbezügliche Allergiker können daher unbedenklich geimpft werden.

Insgesamt sind anaphylaktische Reaktionen nach Impfungen ausgesprochen seltene Ereignisse mit einer geschätzten Häufigkeit zwischen 1-10 Fällen pro 1.000.000 Dosen2.

Klinisch nicht zu unterscheiden sind anaphylaktoide Reaktionen nach Impfung. Allerdings wird die Histaminausschüttung aus Mastzellen bei der anaphylaktoiden Reaktion nicht durch IgE-Antikörper ausgelöst. Anaphylaktoide Reaktionen sind ausgesprochen selten. Eine versehentliche intravasale Impfung ist zu vermeiden3.

Kreislaufkollaps, Synkopen und Angstreaktionen in Zusammenhang mit der Impfung

Zwei Fälle eines Kreislaufkollaps bzw. einer Synkope wurden berichtet. Bei einer weiteren Meldung, die zunächst durch Dritte als "anaphylaktische Reaktion" bei einer 39jährige Frau gemeldet wurde, ergab die Recherche des PEI, dass es sich offenbar um eine Angstreaktion bzw. ein Hyperventilationssyndrom gehandelt hat.

Bei Kollapszuständen während oder nach der Impfung handelt es sich häufig um vasovagale oder emotional ausgelöste Symptome, die nicht mit dem Impfstoff, wohl aber mit der Impfsituation in Zusammenhang stehen. Die Impflinge sind vor der Impfung oft aufgeregt und neigen zu Kreislaufregulationsstörungen.

Neurologische Reaktionen

Dem Paul-Ehrlich-Institut wurden zwei Verdachtsfälle einer neurologischen Reaktion in zeitlichem Zusammenhang mit der Impfung von Pandemrix gemeldet.

Ein Mann wurde am 28.10.2009 mit Pandemrix geimpft (Impfstelle linker Arm: M. deltoideus). Es wurde berichtet, dass in der Nacht vom 29. auf den 30.10.2009 Schmerzen, Taubheitsgefühl und Kribbeln im Bereich des Versorgungsgebietes des Nervus ulnaris am rechten Arm auftraten. Die klinische Diagnose einer Neuritis des Nervus ulnaris wurde gestellt. Wenige Tage später war der Patient beschwerdefrei. Eine elektrophysiologische Untersuchung (NLG, F-Welle) hatte am 30.10.2009 einen unauffälligen Befund ergeben, eine Verlaufskontrolle ist geplant.

In der Literatur sind Einzelfallberichte von Mononeuritis nach verschiedenen Impfstoffen4 5 beschrieben, ein ursächlicher Zusammenhang ist jedoch nicht belegt. Im vorliegenden Fall trat die Reaktion am nicht-geimpften Arm etwa 1,5 Tage nach der Impfung auf. Differentialdiagnostisch ist in diesem Fall insbesondere an eine Druckläsion des N. ulnaris zu denken (z.B. im Bereich des Sulcus ulnaris), zumal die Symptomatik über Nacht auftrat und lagebedingte Druckläsionen peripherer Nerven nicht selten zunächst unbemerkt im Schlaf auftreten. Weitere Informationen sind angefordert.

Durch Angehörige wurde berichtet, dass bei einer jungen Erwachsenen weniger als ein Tag nach der Impfung eine "Neuritis" mit Kribbelgefühl im Bereich des Impfarms und komplettem Sensibilitätsverlust der Hand aufgetreten sei. Aufgrund des Sensibilitätsverlustes im Bereich der Hand seien verschiedene alltägliche Verrichtungen (wie z.B. Haare kämmen, Autofahren, Arbeiten) nicht mehr möglich gewesen. Es wurde berichtet, dass Untersuchungen durch einen Neurologen, einen Angiologen und einen Chirurgen einen normalen Befund ergeben hätten. Zum Zeitpunkt der Meldung habe der Sensibilitätsverlust der Hand unverändert fortbestanden.

Die zu diesem Fall bisher vorliegenden Informationen sind unvollständig oder widersprüchlich. Die subjektiven Beschwerden ließen sich offenbar nicht einem objektivierbaren Untersuchungsbefund zuordnen. Auch ist der einseitige Sensibilitätsverlust der kompletten Hand schwer einem eindeutigen, peripheren neurologischen Krankheitsbild zuzuordnen. Da der Fall derzeit nicht abschließend beurteilt werden kann, sind vom PEI weitere Informationen angefordert worden.

Autoimmunreaktionen bzw. Auslösung eines Schubs einer Autoimmunreaktion

Bei einer 44-jährigen Frau kam es 10 Minuten nach der Impfung am 28.10.2009 zu einem Kreislaufkollaps, der innerhalb von 30 Minuten stabilisiert werden konnte. Außerdem entwickelte sie ein Exanthem an den Unterarmen und am selben Tag einen akuten Schub einer bestehenden seronegativen chronischen Polyarthritis, der mit nicht-steroidalen Antirheumatika behandelt wird.

Derzeit kann ein immunpathogenetischer Zusammenhang mit der Impfung weder ausgeschlossen noch bestätigt werden.

Meldungen von Verdachtsfällen von Nebenwirkungen bei Kindern und Jugendlichen

Drei Meldungen über unerwünschte Reaktionen nach Pandemrix Impfung bezogen sich auf Jugendliche im Alter von 16 und 17 Jahren. Es wurde über Lokalreaktionen und Allgemeinreaktionen berichtet, die als Nebenwirkungen von Pandemrix bekannt sind.

Aufgrund der derzeit vorliegenden Daten ergibt sich kein Hinweis auf eine geänderte Nutzen-Risiko-Abwägung für Pandemrix. Das Paul-Ehrlich-Institut wird Verdachtsfälle allergischer/ anaphylaktischer Reaktionen ganz besonders intensiv überwachen.

1 Übersicht Weisser K et al. Sicherheit von Impfstoffen, Bundesgesundheitsblatt 2009
2 Übersicht Rüggeberg J et al. Anaphylaxis: Case definition and guidelines for data collection, analysis, and presentation of immunization safety data, Vaccine 25 (2007) 5675–5684
3 Quast U et al, Impfreaktion, Hippokrates Verlag 1997
4 Quast U, Hennessen W, Widmark RM. Mono- and polyneuritis after tetanus vaccination (1970-1977). Dev Biol Stand 1979; 43:25-32
5 Hasselbacher P. Neuropathy after influenza vaccination. Lancet 1977; 1(8010):551-552

Aktualisiert: 09.11.2009