4. Bericht: Information zu Verdachtsfallberichten, KW 44-48
Information zu Verdachtsfallberichten auf Nebenwirkungen und Impfkomplikationen nach Anwendung von Impfstoffen gegen die Neue A(H1N1) Influenza (Schweinegrippe) in Deutschland
Einleitung
Diese Internetseite gibt einen Überblick über Verdachtsfallberichte von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen nach Impfung mit dem Schweinegrippe-Impfstoff Pandemrix und Celvapan, die beim Paul-Ehrlich-Institut in Kalenderwoche 44 bis 48 (bis einschließlich Donnerstag 26.11.2009, 17:00 Uhr) eingegangen sind. Die Fälle wurden von Ärzten, Apothekern, Gesundheitsämtern und dem pharmazeutischen Unternehmer gemeldet. Eingeschlossen sind außerdem Meldungen aus der Bevölkerung, die nach Rücksprache mit den behandelnden Ärzten validiert wurden.
Es wird darauf hingewiesen, dass es sich bei den Meldungen um Verdachtsfälle handelt, die in zeitlichem Zusammenhang mit der Impfung aufgetreten sind. Eine aufgeführte unerwünschte Reaktion bedeutet aber nicht notwendigerweise, dass ein ursächlicher Zusammenhang mit der Impfung besteht. Ein Berichtsfall (Verdachtsfall) kann auch mehrere unerwünschte Reaktionen beinhalten, z.B. Kopfschmerzen, Müdigkeit und Übelkeit.
Das Paul-Ehrlich-Institut wertet die eingegangenen Meldungen nach Registrierung in einer Datenbank dahingehend aus, ob sich aufgrund der vorliegenden Datenlage die Nutzen-Risiko-Bewertung des Impfstoffs ändert und deswegen gegebenenfalls Maßnahmen, z.B. nach dem Arzneimittelgesetz, zu ergreifen sind. Die Informationen werden in regelmäßigen Abständen aktualisiert. Das Paul-Ehrlich-Institut möchte entsprechend seinen Leitprinzipien durch größtmögliche Transparenz allen Interessierten die Möglichkeit geben, sich aktuell über die Datenlage zu informieren.
Es wird außerdem darauf hingewiesen, dass Zahl, Art und Schweregrad der aufgeführten Fälle keinen Rückschluss auf die tatsächliche Häufigkeit und das Spektrum von Nebenwirkungen erlauben. Die Meldungen bieten aber die Möglichkeit, etwaige Risikosignale zeitnah zu erkennen und gegebenenfalls darauf zu reagieren. Eine Online-Meldung von Verdachtsfällen ist über www.pei.de möglich.
Übersicht
Im genannten Zeitraum sind dem Paul-Ehrlich-Institut bei 658 Personen Verdachtsfälle von unerwünschten Reaktionen nach Impfung mit Pandemrix und eine Verdachtsmeldung nach Impfung mit Celvapan gemeldet worden. Die 659 Meldungen umfassen insgesamt 2446 unerwünschte Ereignisse (1 Verdachtsfallmeldung kann mehrere Reaktionen beinhalten) bei Patienten im Alter zwischen 6 Monate und 92 Jahren (Mittelwert bei Erwachsenen 35,8 Jahre und bei Kindern 10 Jahre). 241 (37 %) Meldungen wurden als schwerwiegend vom Melder und/oder vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI) bewertet. Aus der Angabe der verimpften Dosen bis zur Kalenderwoche 47 aus den Bundesländern Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen, Bremen, Berlin und Hamburg lässt sich abschätzen, dass zwischen 4 und 5,8 Millionen Dosen Pandemrix bis Ende KW 47 verimpft worden sind.
Außerdem wurde dem PEI eine Meldung über eine anaphylaktische Reaktion nach Celvapan berichtet.
Am häufigsten wurden Kopfschmerz (n = 157), Fieber (n = 152), Schmerz in einer Extremität bzw. an der Impfstelle (n = 150), Schüttelfrost (n = 78), Übelkeit (n = 73), Ermüdung (n = 60), Schwindelgefühl (n = 61), Arthralgie (n = 42), Erbrechen (n = 38), Kreislaufkollaps/ Synkope (n = 46) berichtet. Lokalreaktionen an der Injektionsstelle und Allgemeinreaktionen sind in der Fach- und Gebrauchsinformation aufgeführt.
Vergleicht man die gemeldeten Reaktionen von Pandemrix nach Organklassen mit den gemeldeten Reaktionen nach allen anderen saisonalen Grippeimpfstoffen, die dem PEI seit dem Jahr 2000 gemeldet wurden, so erscheint das Spektrum der gemeldeten unerwünschten Ereignisse bezogen auf Organklassen nicht auffällig. Einzige Ausnahme stellt die prozentual häufigere Meldung von unerwünschten Ereignissen in der Organklasse "Allgemeine Erkrankungen und Beschwerden am Verabreichungsort" dar. Dies ist erwartet, da schon in klinischen Studien gezeigt wurde, dass Lokal- und Allgemeinreaktionen nach Pandemrix häufiger vorkommen als nach nicht-adjuvantiertem Grippeimpfstoff.
246 (37,3 %) Patienten waren vollständig wieder hergestellt und bei 11 (1,7 %) Patienten hatte sich der Gesundheitszustand zum Zeitpunkt der Meldung bereits gebessert. 193 (29,3 %) Patienten waren zum Zeitpunkt der Meldung noch nicht wieder hergestellt. Bei 194 (29,3 %) Patienten wurde der Ausgang der unerwünschten Ereignisse als unbekannt gemeldet. In keinem Fall wurde über einen bleibenden Schaden berichtet. Da in vielen Fällen noch weitere Informationen angefordert sind, geht das PEI davon aus, dass der Anteil der Meldungen mit unbekanntem Ausgang der unerwünschten Ereignisse noch zurückgehen wird.
Reaktionen
Todesfälle im zeitlichen Zusammenhang nach H1N1-Impfung
Dem PEI sind kumulativ vom 26.10.2009 bis zum 26.11.2009 insgesamt 15 Todesfälle bei Patienten im Alter von 21 Monate bis 92 Jahre im zeitlichen Zusammenhang mit Pandemrix gemeldet worden.
Meldungen über Todesfälle im zeitlichen Zusammenhang mit Pandemrix, in denen eine andere Todesursache festgestellt wurde (insgesamt n=9)
Sechs Meldungen wurden bereits in den Berichten vom 16.11.2009 und 25.11.2009 beschrieben. In einem Fall, der bereits zuvor beschrieben wurde, erhielt das PEI zwischenzeitlich weitere Informationen. Danach verstarb ein 75-jähriger Mann vermutlich im Rahmen seiner Grunderkrankung (dilatative Kardiomyopathie). Weitere Todesfälle, in denen eine andere Ursache festgestellt wurde waren:
- Ein 46-jähriger Mann verstarb sechs Tage nach der Pandemrix Impfung. Die Obduktion ergab einen Herzinfarkt. Bei dem Mann war eine koronare Herzerkrankung mit ausgeprägtem Risikoprofil (Adipositas, arterielle Hypertonie, Hyperlipoproteinämie, Diabetes mellitus, ehemaliger Nikotinkonsum, sowie Zustand nach Herzinfarkt mit 31 Jahren) bekannt.
- Ein 73-jähriger Mann mit einer chronischen Herzinsuffizienz und Vorhofflimmern verstarb zwei Tage nach der Pandemrix Impfung. Am Tag der Impfung war aufgrund des Vorhofflimmerns eine Antikoagulationstherapie mit Phenprocoumon begonnen worden. In der Obduktion wurde eine Lungenembolie festgestellt.
- Eine 65-jährige Frau mit einer koronaren Herzerkrankung und einem Diabetes mellitus verstarb zwei Tag nach der Pandemrix Impfung. Die Obduktion ergab einen Herzinfarkt und eine Lungenembolie.
Ungeklärte Todesfälle in zeitlichen Zusammenhang mit Pandemrix (n=1)
Insgesamt wurde dem PEI bis zum 26.11.2209 ein ungeklärter Todesfall berichtet. Der Fall wurde bereits im Bericht vom 25.11.2009 beschrieben.
Meldungen mit unzureichender Information (insgesamt n=3)
Seit dem Bericht vom 25.11.2009 wurde ein weiterer Todesfall berichtet, in dem unzureichende Informationen vorliegen. In diesem Fall wurde keine Obduktion durchgeführt, offenbar, weil der Tod des Patienten im Rahmen der Grunderkrankung gesehen wurde. Ein 51-jähriger Mann, der an einer amyotrophen Lateralsklerose litt, verstarb fünf Tage nach der Impfung.
Meldungen, bei denen noch weitere Informationen erwartet werden (n=2)
- Ein 77-jähriger Mann mit vielfältigen Vorerkrankungen (arteriosklerotische Vorerkrankungen, Diabetes mellitus und eine Tumorerkrankung) verstarb vier Tage nach der Impfung.
- Den Fall eines 21 Monate alten schwer herzkranken Kindes hat das PEI bereits im Bericht vom 16.11.2009 beschrieben. Einzelne Untersuchungsergebnisse stehen weiterhin aus.
Im Vergleich zum Bericht vom 25.11.2009 ergibt sich keine geänderte Risikobewertung.
Meldungen über allergische Reaktionen und anaphylatische/ anaphylaktoide Reaktionen
Insgesamt sind dem PEI bisher 95 Fälle eines Verdachts einer anaphylaktischen/ anaphylaktoiden Reaktion bzw. Fälle mit Reaktionen aus dem allergischen Symptomenkomplex von unterschiedlicher Ausprägung und verschiedenen Schweregrades gemeldet worden. Dabei handelt es sich um 25 männliche und 67 weibliche Impflinge im Alter zwischen 3 Jahr und 81 Jahren (Durchschnittsalter 33,1 Jahre; Median 31 Jahre). In 3 Fällen liegen keine Angaben zum Geschlecht vor. In 2 Fällen wurde nur die Alterskategorie angegeben (zwischen 3 und 12 Jahre bzw. zwischen 18 und 65 Jahre). In keinem Fall wurde eine Hühnereiweißallergie mitgeteilt.
Auf der Basis der berichteten Reaktionen sind 88 Fälle vom Soforttyp. Diese Meldungen lassen entsprechend dem Klassifizierungsschema nach Ring und Messmer wie folgt einteilen:
- Typ I (ausschließlich Hautreaktionen):
n = 47 (männlich = 12; weiblich = 35);
Bei vier Patienten war eine Allergie bekannt (davon ein Patient zusätzlich mit einem Asthma bronchiale) und einen Fall mit einer atopischen Hauterkrankung.
- Typ II: (Gering- bis mäßiggradige über Hautsymptome hinausgehende systemische Reaktionen, vor allem respiratorische oder kardiovaskuläre oder gastrointestinale Symptome)
n = 26 (männlich = 9; weiblich = 17);
In drei Fällen war eine Allergie anamnestisch bekannt.
- Typ III: (Schock)
n = 16 (männlich = 3; weiblich = 10; in 3 Fällen keine Angabe zum Geschlecht);
Bei drei Patienten war eine Allergie anamnestisch bekannt. Bei einer Patientin war ein Asthma bronchial bekannt. Sie erlitt am Tag nach der Impfung einen schweren Asthmaanfall und musste im Status Asthmaticus intubiert und beatmet werden. Nach 10 Tagen erfolgte die Extubation und die Genesung der Patientin. Bei einem weiterern Patient war eine atopische Dermatitis bekannt.
In sechs Fällen erlauben die gemeldeten Informationen keine Typzuordnung. Die Fälle wurden als anaphylaktische Reaktion (3), Anaphylaxie-ähnliche Reaktion (1) und allergische Reaktion (2) ohne weitere Angaben gemeldet.
In sieben Fällen wurde eine Überempfindlichkeitsreaktion vom verzögertem Typ berichtet. Diese Reaktionen wurden zwischen 2 und 5 Tagen nach der Impfung berichtet und hatten eine milde Ausprägung.
Es liegen keine Berichte von Typ 4 Reaktionen oder anaphylaktischen Reaktionen mit letalem Ausgang vor.
Eine Korrelation der Meldungen zu einer bestimmten Charge konnte nicht festgestellt werden, allerdings war nicht in allen Fällen eine Chargennummer mitgeteilt worden.
Dem PEI ist außerdem ein Verdachtsfall einer Überempfindlichkeitsreaktion nach Impfung mit Celvapan (nicht wirkverstärkter, inaktivierter Ganzvirusimpfstoff H1N1) gemeldet worden. Es handelt sich um einen 25-jährigen Mann, der 15 Minuten nach der Impfung eine ausgeprägte Flushsymptomatik mit Schweißausbruch, Frösteln, Blutdruckanstieg und Schwindel zeigte.
Anaphylaktische Reaktionen nach Impfungen sind selten mit einer geschätzten Häufigkeit zwischen 1-10 Fällen pro 1.000.000 Dosen (Übersicht Rüggeberg J et al. Anaphylaxis: Case definition and guidelines for data collection, analysis, and presentation of immunization safety data, Vaccine 25 (2007) 5675–5684). Die Melderate von allergischen/anaphylaktischen Reaktionen, die über Hautsymptome hinausgingen, liegt im Bereich der in der Literatur erwähnten Häufigkeit.
Neurologische Reaktionen
Kumulativ wurden 62 Fälle mit verschiedenen neurologischen Reaktionen berichtet (einschließlich der 33 Meldungen, die bereits in unseren vorherigen Berichten zu den Kalenderwochen 44-47 dargestellt worden sind).
Neurologische Erkrankungen
Meldungen über den Verdacht eines Guillain-Barré-Syndroms (GBS):
Bestätigte Fälle eines GBS (n=1)
Ein 73 Jahre alter Mann entwickelte 5 Tage nach der Impfung das typische klinische Bild eines GBS mit aufsteigenden Lähmungen und Sensibilitätsstörungen. Der Liquorbefund war ebenfalls typisch für ein GBS, auch der elektrophysiologische Befund stützte die Diagnose eines GBS. Verschiedene Differentialdiagnosen konnten ausgeschlossen werden. In der Anamnese fanden sich keine Anhaltspunkte für eine vorausgegangene Infektionskrankheit. Der Patient befindet sich in stationärer neurologischer Behandlung. Unter der Therapie kam es zuletzt zu einer Besserung der klinischen Symptomatik.
Fragliche Fälle eines GBS (n=2)
- Ein 48 Jahre alter Mann entwickelte zwei Tage nach der Impfung erste neurologische Symptome, die zunächst als Symptome eines GBS gewertet wurden. Wie bereits in unserem vorherigen Bericht (Kalenderwoche 47) dargestellt, ergab die Rückfrage durch das PEI, dass die Diagnose aufgrund der MRT-Befunde derzeit fraglich ist.
- Gemäß einer weiteren Meldung entwickelte ein 54 Jahre alter Mann am Tag der Impfung unklare neurologische Symptome: Es wurde der Verdacht eines GBS gestellt, der aber offenbar nicht bestätigt wurde (mündliche Aussage). Der Patient wurde nicht stationär behandelt. Weitere Informationen wurden vom PEI angefordert.
Das Institute of Medicine (IOM) geht davon aus, dass das zeitlich plausible Intervall zwischen Impfungen und dem Auftreten eines GBS zwischen fünf Tagen und sechs Wochen beträgt. Ein GBS am Tag der Impfung bzw. zwei Tage nach Impfung wäre demnach nicht plausibel.
Meldungen über den Verdacht eines GBS, der nicht bestätigt wurde (n=4)
- In 4 Fällen wurde initial die Verdachtsdiagnose eines GBS gemeldet. Der weitere klinische Verlauf bzw. die Diagnostik ergaben jedoch, dass es sich jeweils nicht um ein GBS handelte.
Das Auftreten eines GBS im (zufälligen) zeitlichen Zusammenhang zu einer Impfung kann nicht ohne Ausschluss anderer Ursachen der Impfung angelastet werden. Bei konservativer Schätzung ist bisher von ca. 5,8 Millionen Geimpften in Deutschland auszugehen. Unter Berücksichtigung der Inzidenz eines GBS in Deutschland von im Mittel 1,75 Fälle pro 100 000 Personen pro Jahr [1] sind statistisch zufällig innerhalb einer Woche nach der Impfung 2,0 Fälle und innerhalb von zwei Wochen 4,0 Fälle eines GBS zu erwarten.
Meldung über den Verdacht einer Neuritis (n=11):
Es wurden insgesamt 11 Fälle einer Neuritis gemeldet (einschließlich der acht Fälle, die bereits in unseren vorherigen Berichten aufgeführt wurden). Es handelte sich um sieben Frauen und drei Männer (in einem Fall wurde das Geschlecht nicht angegeben). Das Alter lag zwischen 18 und 66 Jahren (in zwei Fällen wurde das Alter nicht angegeben). Meldungen einer Fazialisparese werden separat im Abschnitt Paresen diskutiert.
Bei drei dieser 11 Fälle wurde eine Neuritis des Nervus ulnaris gemeldet, in zwei Fällen wurde eine Armplexusneuritis berichtet, in zwei weiteren Fällen wurde über eine Neuritis mit Symptomen im Bereich des Impfarms berichtet, in einem Fall wurde über eine Neuritis mit Symptomen im Bereich des nicht-geimpften Arms berichtet, in einem Fall wurde der Verdacht auf eine serogenetische Polyradikuloneuritis gemeldet, in zwei Fällen wurde nur allgemein vor einer Neuritis berichtet.
In drei Fällen trat die Neuritis am Impftag, in fünf Fällen einen Tag nach der Impfung, in einem Fall 1,5 Tage nach der Impfung, in einem Fall nach einer Woche und in einem Fall weniger als einen Monat nach der Impfung auf.
Im Folgenden werden die Fälle, die noch nicht in unseren vorherigen Berichten dargestellt wurden, einzeln aufgeführt:
- Bei einer Person (Geschlecht und Alter nicht angegeben) trat weniger als einen Monat nach der Impfung (genauer Zeitabstand nicht angegeben) eine Armplexusneuritis auf. Weitere Informationen liegen derzeit nicht vor.
- Bei einer 49jährigen Frau wurde über das Auftreten einer Neuritis am Impftag berichtet: Seit dem Impftag bestünden Schmerzen am Impfarm. Anhand der wenigen bisher zu diesem Fall vorliegenden Informationen erscheint es fraglich, ob tatsächlich eine Neuritis vorliegt.
- Bei einem 66jährigen Mann wurde über das Auftreten einer Neuritis am Impftag mit Schmerzen im zur Impfung kontralateralen Arm sowie Pelzigkeitsgefühl der Finger und Dysästhesien berichtet.
Bei diesen 11 Fällen einer Neuritis liegen derzeit keine detaillierten Informationen vor, so dass von Seiten des PEI nicht beurteilt werden kann, ob die diagnostischen Kriterien für eine Neuritis erfüllt sind. In drei dieser 11 Fälle erscheint jedoch aufgrund der vorliegenden Informationen eine andere Diagnose als Neuritis wahrscheinlicher. Der Zeitabstand zwischen Impfung und Auftreten der Neuritis erscheint in neun der 11 Fälle sehr kurz (gleicher Tag bis zu 1,5 Tagen nach der Impfung). Der ursächliche Zusammenhang ist in diesen Fällen als fraglich zu beurteilen, da ein immunpathologisches Geschehen wenige Stunden bzw. 1,5 Tage nach einer Impfung nicht plausibel ist. Literaturangaben bezüglich des Zeitabstands zwischen Impfungen und Symptombeginn einer Armplexusneuritis variieren z.B. zwischen drei Tagen und 21 Tagen [2, 3, 5, 6, 7], in je einem Einzelfallbericht lag der Abstand bei einem Monat [4] bzw. bei 47 Tagen [8]).
Die Zahl der Meldungen an das PEI über den Verdacht einer Neuritis im zeitlichen Zusammenhang mit Pandemrix ist gegenüber den Meldungen zu saisonalen Grippeimpfstoffen nicht erhöht. Zusammengefasst ergibt sich derzeit aus den Meldungen kein Signal.
Neuritis wird im Abschnitt Nebenwirkungen der Fachinformation von Pandemrix erwähnt.
Meldung als Krampfanfall (n=7):
Insgesamt wurden sieben Fälle eines Krampfanfalls gemeldet (einschließlich der drei Fälle, die bereits im vorherigen Bericht dargestellt wurden). Betroffen waren ein sechs Monate altes Kleinkind, ein 12jähriges Kind sowie zwei Männer und drei Frauen im Alter von 21 bis 51 Jahren. Bei drei der sieben Personen war eine Epilepsie bekannt. Bei den beiden Kindern trat nach der Impfung jeweils ein Fieberkrampf auf. Die Kausalität wurde vom PEI mit möglich beurteilt. Bei den fünf Erwachsenen, bei denen jeweils nicht über Fieber berichtet wurde, lässt sich derzeit nicht beurteilen, ob es sich um einen zeitlich zufälligen oder ursächlichen Zusammenhang mit der Impfung handelt.
Im Folgenden werden die Fälle, die noch nicht im vorherigen Berichten dargestellt wurden, aufgeführt:
- Ein 6 Monate altes Kleinkind entwickelte 14 Stunden nach der Impfung Fieber bis 40 Grad. 20 Stunden nach der Impfung kam es zu einem generalisierten Krampfanfall, der eine halbe Stunde andauerte. Als Vorerkrankung ist eine infantile Zerebralparese ohne Krampfleiden bekannt.
- Eine 21jährige Frau erlitt einen Tag nach Impfung drei epileptische Anfälle von jeweils etwa 30 Sekunden Dauer, die medikamentös durchbrochen wurden. Eine Epilepsie ist nicht bekannt.
- Bei einem 23jährigen Mann wurde der Verdacht auf einen epileptischen Anfall berichtet, der zehn Minuten nach der Impfung aufgetreten sei und fünf bis zehn Sekunden angedauert habe. Differentialdiagnostisch ist aufgrund der vorliegenden Informationen auch an eine Synkope zu denken.
- Bei einer 51jährigen Frau mit bekannter Epilepsie traten zwei Tage nach der Impfung zwei "kleine" epileptische Anfälle für die Dauer von wenigen Minuten auf.
Krampfanfälle sind nach interpandemischen, saisonalen Influenzaimpfstoffen berichtet worden. In der Fachinformation von Pandemrix wird auf Krampfanfälle hingewiesen.
Neurologische Symptome
Meldung mit Paresen (Lähmung) (n=9):
Es wurden insgesamt neun Fälle im Alter von neun bis 70 Jahren mit Krankheitsbildern gemeldet, die mit Paresen einhergingen (einschließlich der sechs Fälle, die bereits in unserem vorherigen Bericht aufgeführt wurden). Es handelte sich um ein Kind (9-jähriger Junge) und acht Erwachsene (vier Frauen und vier Männer).
In vier dieser neun Fälle wurde eine (periphere) Fazialisparese bzw. Gesichtsparese gemeldet. Die übrigen fünf Fälle beziehen sich auf unterschiedliche Paresen/ Krankheitsbilder wie vorübergehende Halbseitenlähmung (möglicherweise im Rahmen eines Migräneanfalls), Halbseitenlähmung im Rahmen eines Schlaganfalls, Radialisparese, Armlähmung, Lähmung beider Beine.
In einem Fall trat die Parese am Impftag, in drei Fällen einen Tag nach der Impfung, in zwei Fällen drei Tage nach der Impfung, in einem Fall nach vier Tagen und in einem Fall nach acht Tagen auf. In einem Fall war der Zeitabstand zur Impfung unklar.
Zusammenfassend handelt es sich bei den neun Fällen um Berichte von Paresen bzw. Erkrankungen, die insgesamt unabhängig von Impfungen vergleichsweise häufig vorkommen (z.B. Häufigkeit der idiopathischen Fazialisparese ca. 7-32 Fälle pro 100 000 Personen pro Jahr, Häufigkeit des Schlaganfalls ca. 175-260 Fälle pro 100 000 Personen pro Jahr). So ist die Zahl der gemeldeten Fälle einer Fazialisparese (n=4) niedriger als die reinzufällig innerhalb von acht Tagen nach Impfung zu erwartende Zahl (n= 9-42 Fälle bei vermuteten 5,8 Millionen Geimpften). Ein Signal ergibt sich aus den Meldungen derzeit nicht.
Meldung als Hypästhesie und/oder Hypalgesie und/oder Parästhesie (n=12):
Es wurden insgesamt 12 Fälle von Sensibilitätsstörungen bei zehn Frauen und zwei Männern im Alter von 22 bis 73 Jahren berichtet. In einem Fall wurde der Zeitabstand zwischen Impfung und Beginn der Sensibilitätsstörung nicht angegeben, in drei Fällen begann die Symptomatik am Tag der Impfung, in fünf Fällen zwei Tage nach der Impfung, in zwei Fällen nach fünf Tagen und in einem Fall sieben Tage nach der Impfung.
Im Folgenden werden die Fälle, die noch nicht in unseren vorherigen Berichten dargestellt wurden, einzeln aufgeführt:
- In einem Fall wurden u.a. Parästhesien in Gesicht, Zunge, Händen und Füßen angegeben, die sich nach zwei Tagen spontan komplett zurückgebildet hätten.
- In einem Fall wurden Parästhesien im Bereich des linken Fußes, des linken Knie mit Wechsel zur linken Hand und Ellenbogen berichtet (die Impfung war in den linken Arm erfolgt).
- In einem Fall wurden u.a. Sensibilitätsstörungen und Missempfindungen an Stirn, Kopf, rechtem Oberschenkel und Kniegelenk angegeben.
- In einem Fall wurden Kribbelparästhesien beider Beine, der Hände und der Zunge berichtet.
- In einem weiteren Fall wurde u.a. eine Taubheit im Bereich der rechten Hand berichtet; außerdem wurde angegeben, dass ursächlich ein psychoreaktives Geschehen möglich sei.
- In einem weiteren Fall wurde eine Parästhesie am gesamten Körper berichtet.
Insgesamt handelt sich um Symptombeschreibungen, die derzeit keiner einheitlichen Erkrankung zugeordnet werden können.
Parästhesien sind bekannte Nebenwirkungen von Pandemrix, die gelegentlich vorkommen können.
Einzelfallberichte bezüglich verschiedenster anderer neurologische Symptome bzw. Erkrankungen (n= 17):
- In einem Fall wurde bei einem 19 Monate alten, männlichen Kleinkind über fünf unklare Episoden mit Versteifung des Oberkörpers und der Arme mit Zuckungen und starrem Blick bei ansprechbarem Patienten berichtet. Diese Episoden traten jeweils vier Tage nach Impfung auf. Möglicherweise handelte es sich um einen epileptischen Anfall. Aufgrund der wenigen vorliegenden Informationen lässt sich dies jedoch nicht sicher beurteilen.
- Bei einem 36jährigen Mann trat eine Meningoenzephalitis eine Woche nach der Impfung auf und dauerte 10 Tage an. Zum Zeitpunkt der Meldung war der Patient wiederhergestellt. Im Liquor ergab sich kein Hinweis auf eine bakterielle Meningitis. Es wurde mitgeteilt, dass die virologische Untersuchung (unklar ob Serologie oder NAT) negativ war für Herpes simplex-, Varizella zoster-, Epstein- Barr -, Zytomegalie- sowie Enterovirus. Eine Enzephalitis wird am häufigsten durch Infektionen verursacht. Dabei liegt die Inzidenz der viralen Enzephalitis (in den USA 10-20/100000 pro Jahr) deutlich höher als die der bakteriellen Enzephalitis. Ein großes Spektrum von viralen Erregern, außer den untersuchten, könnte in diesem Einzelfall die Enzephalitis verursacht haben (z.B. Cocksackievirus, Adenovirus etc).
- Bei einer 46jährigen Frau wurde über die Zunahme neurologischer Beschwerden bei vorbestehender Multipler Sklerose berichtet: seit zwei Tagen nach der Impfung bestehe eine zunehmende Gangstörung.
- Außerdem wurden im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung berichtet (jeweils ein Fall): Trigeminus-Neuralgie links plus Hemidysästhesie links, einseitiger N. vestibularis-Ausfall, V.a. komplexe Tics (bei vorbestehenden einfachen Tics), einschießender Tonusverlust beider Beine, vorübergehende Muskelsteife vom Hals bis zur Hüfte auf der Impfseite, Unkonzentriertheit mit Problemen im sprachlichen Ausdruck.
Acht Fälle verschiedenster anderer neurologischer Symptome bzw. Erkrankungen, die bereits in unserem vorherigen Bericht dargestellt sind, sind hier nicht nochmals aufgeführt.
Insgesamt wurde dem PEI ein breites Spektrum neurologischer Symptome/ Erkrankungen ohne einheitliches Muster gemeldet, die als isolierte Fälle nicht auf ein Signal hinweisen.
Kardiovaskuläre Reaktionen
Insgesamt wurden 13 kardiovaskuläre Reaktionen als schwerwiegend bewertet. Zusätzlich zu den sieben bereits in den vorherigen Berichten dargestellten Fällen, erhielt das PEI sechs weitere Meldungen:
- Drei Meldungen über erhöhten Blutdruck innerhalb der ersten 24 Stunden nach Impfung. Alle Patienten haben sich vollständig wieder erholt.
- Innerhalb der ersten Stunden nach der Impfung trat in einem Fall ein Koronararterienspasmus auf, der 5-10 Minuten anhielt. Der Patient ist beschwerdefrei. Weitere Informationen stehen aus.
- In zwei Berichten wurde der Verdacht einer Myokarditis geäußert. Die Symptome traten innerhalb der ersten beiden Tage nach der Impfung auf. Eine abschließende Bewertung ist derzeit nicht möglich, da weitere Untersuchungen unter stationären Bedingungen erfolgen. Als Myokarditis bezeichnet man eine Entzündung des Herzmuskels. Sie tritt am häufigsten als Komplikation von Virusinfekten auf; seltener ist sie durch Bakterien oder Parasiten bedingt. Vor allem im Rahmen rheumatischer Erkrankungen kann die Myokarditis auch unabhängig von Krankheitserregern auftreten. Auch toxische Ursachen einer Myokarditis z.B. durch Alkohol sind bekannt. Bereits im Bericht vom 16.11.2009 wurde über eine Perimyokarditis berichtet.
(Auto)immunreaktionen bzw. Auslösung eines Schubs einer Autoimmunreaktion
Bisher sind neun Fälle berichtet worden, bei denen eine (Auto)immunreaktion in zeitlichem Zusammenhang mit der Impfung gemeldet wurde, von denen fünf Fälle bereits in den Berichten vom 9.11.2009, 16.11.2009 und 25.11.2009 beschrieben wurden. Es handelt sich um Einzelfälle verschiedenster Erkrankungen: Idiopathische Thrombozytopenie, Purpura Schoenlein Henoch, Colitis ulcerosa, seronegative chronische Polyarthritis und M. Bechterew. Zusätzlich gemeldet wurden in der KW 48:
- Einer leukozytoklastische Vaskulitis bei einer 36 Jahre alten Frau. Die Frau berichtete Schmerzen und eine massiven Hautreaktion am linken Unterschenkel. Gleichzeitig wurde eine ausgeprägte Lokalreaktion an der Einstichstelle festgestellt. Der Ausgang der Reaktion war zum Zeitpunkt der Meldung unbekannt. Weitere Informationen zur Diagnose wurden angefordert.
- Ein Fall einer Psoriasis zwei Tage nach der Impfung. Bei diesem Fall wurden weitere Informationen zur den gemeldeten Reaktionen angefordert, die jedoch noch nicht vorliegen.
- Ein Fall einer Iritis am Tag der Impfung mit Pandemrix gemeldet. Bei diesem Fall wurden weitere Informationen zur den gemeldeten Reaktionen angefordert, die jedoch noch nicht vorliegen.
- Ein Fall einer Verschlechterung der Symptomatik bei einer bestehenden Multiplen Sklerose wurde bereits im Abschnitt "neurologische Reaktionen" beschrieben.
Anhand der isolierten Einzelfälle kann nicht beurteilt werden, ob es sich um einen zeitlich zufälligen oder ursächlichen Zusammenhang handelt.
Meldungen in der Schwangerschaft
Dem PEI wurde ein Fall eines Abortes gemeldet, bei dem in der Frühschwangerschaft unbeabsichtigt Pandemrix geimpft worden war. Am Tag nach der Impfung beklagte die Frau grippeähnliche Symptome. Sechs Tage nach der Impfung kam es erstmals zu Schmerzen und Blutungen. Siebzehn Tage nach der Impfung wurde der Abort festgestellt. Aufgrund des histologischen Befundes konnte über die Abortursache keine eindeutige Aussage gemacht werden. Aborte in der Frühschwangerschaft treten spontan mit einer Häufigkeit von ca. 15 % auf. Aufgrund des Einzelfalles kann kein ursächlicher Zusammenhang mit der Impfung hergestellt werden.
Meldungen von Verdachtsfällen von Nebenwirkungen bei Kindern und Jugendlichen
94 Meldungen bezogen sich auf Kinder und Jugendliche im Alter von 6 Monaten bis 17 Jahren (Mittelwert 10 Jahre). 37 Fälle wurden als schwerwiegend beurteilt. 41 (43,6 %) Kinder waren vollständig wieder hergestellt und bei 1 (1 %) Kind hatte sich der Gesundheitszustand zum Zeitpunkt der Meldung bereits gebessert. 25 (26,5 %) Kinder waren zum Zeitpunkt der Meldung noch nicht wieder hergestellt. Bei 26 (27,6 %) Kindern wurde der Ausgang der unerwünschten Ereignisse als unbekannt gemeldet.
Insgesamt sind dem PEI bisher 12 Fälle eines Verdachts einer anaphylaktischen/ anaphylaktoiden Reaktion bzw. Fälle mit Reaktionen aus dem allergischen Symptomenkomplex von unterschiedlicher Ausprägung und verschiedenen Schweregrades bei Kindern gemeldet worden. Dabei handelt es sich um fünf männliche und sieben weibliche Impflinge im Alter zwischen drei Jahr und 16 Jahren (Durchschnittsalter 10,1 Jahre; Median 10 Jahre). In einem Fall wurde nur die Alterskategorie angegeben (zwischen drei und 12 Jahre). In keinem Fall wurde eine Hühnereiweißallergie mitgeteilt.
Entsprechend dem Klassifizierungsschema nach Ring und Messmer wurden sieben Fälle als Typ I, zwei Fälle als Typ II und zwei Fälle als Typ III eingestuft.
Die Mehrzahl der gemeldeten Symptome zählen zu den bekannten, in der Fachinformation von Pandemrix aufgeführten Nebenwirkungen. Vereinzelte schwerwiegende unerwartete Reaktionen bei Kindern wurden bereits in den oben aufgeführten Abschnitten beschrieben. Zusätzlich zu erwähnen ist: Eine Mikrohämatorie sowie Nasenbluten bei einem 17 Jahre alten ca. eine Woche nach der Impfung. Die Blutuntersuchung wies unspezifisch auf eine virale Infektion hin. Bei einem 10 Jahre alten Mädchen wurde eine Blasenentzündung mit Mikrohämaturie berichtet. In beiden Fällen ist kein ursächlicher Zusammenhang mit der Impfung zu sehen.
Bewertung
Aufgrund der derzeit vorliegenden Daten ergibt sich kein Hinweis auf eine geänderte Nutzen-Risiko-Abwägung für Pandemrix. Im Vergleich zum Bericht des PEI vom 25.11.2009 haben sich keine neuen Risikosignale ergeben. Das PEI wird weiterhin engmaschig alle gemeldeten unerwünschten Ereignisse recherchieren und wissenschaftlich bewerten.
Literatur
[1] Lehmann HC, Köhne A, Meyer zu Hörste G, Kieseier BC. Incidence of Guillain-Barré syndrome in Germany. Journal of the Peripheral Nervous System 2007; 12:285
[2] van Alfen N, van Engelen BGM. The clinical spectrum of neuralgic amyotrophy in 246 cases. Brain 2006; 129:438-450
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