Paul-Ehrlich-Institut

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Bekanntmachung über die Zulassung von Arzneimitteln - Abwehr von Arzneimittelrisiken - Anordnung zur Etablierung eines neuen Sicherheitsstandards von Blutkomponenten durch die Festlegung aktualisierter Nachweisgrenzen für den Fall, dass die bisher vorgeschriebene Quarantänelagerung von gefrorenem Frischplasma, lyophilisiertem Plasma und kryokonserviertem Erythrozytenkonzentrat entfallen soll - Vom 03.07.2023

Bekanntmachung im Original im Bundesanzeiger BAnz AT 26.07.2023 B7

Nach schriftlicher Anhörung des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) vom 15.06.2022 ergeht an die pharmazeutischen Unternehmer, die zellulären Blutzubereitungen und therapeutischen Frischplasmen in den Verkehr bringen, folgender
Bescheid:

Für die Herstellung von Quarantäne-gelagerten gefrorenen Frischplasmen, lyophilisierten Plasmen und kryokonservierten Erythrozytenkonzentraten wird die Verpflichtung zur Quarantänelagerung einschließlich Quarantäne-beendender Spendertestung wie folgt geändert:

  1. Abweichend von den bisherigen Anordnungen zur Quarantänelagerung und zur Quarantäne-beendenden Spendertestung dürfen gefrorene Frischplasmen, lyophilisierte Plasmen und kryokonservierte Erythrozytenkonzentrate mit Wirkung vom 01.12.2023 ohne vorherige Quarantänelagerung und Quarantäne-beendende Spendertestung in den Verkehr gebracht werden, wenn sie unter Verwendung von Blutspenden hergestellt wurden, bei welchen im Spender-Screening die folgenden Testungen mit jeweils negativem Testergebnis (Ausnahme Bescheid vom 07.02.2014 „Testung auf Antikörper gegen Hepatitis-B-Core-Antigen (anti-HBc) im Blutspendewesen“) durchgeführt und die nachfolgend benannten Nachweisgrenzen (LOD) bei den NAT-Verfahren eingehalten wurden:
    a. HIV-Nachweis: serologische Einzelspender-Testung auf Anti-HIV-1/2-Antikörper sowie Durchführung eines Einzelspender- oder Minipool-HIV-NAT-Screenings mit einer nachgewiesenen LOD ≤ 3.300 IU/ml bezogen auf die Einzelspende.
    b. HCV-Nachweis: serologische Einzelspender-Testung auf Anti-HCV-Antikörper sowie Durchführung eines Einzelspender- oder Minipool-HCV-NAT-Screenings mit einer nachgewiesenen LOD ≤ 1.900 IU/ml bezogen auf die Einzelspende.
    c. HBV-Nachweis: serologische Einzelspender-Testung auf HBs-Antigen und Anti-HBc-Antikörper sowie zusätzlich die Durchführung eines Einzelspender- oder Minipool-HBV-NAT-Screenings mit einer nachgewiesenen LOD ≤ 900 IU/ml bezogen auf die Einzelspende.
  2. Im Fall der Einhaltung der unter 1 a. bis c. genannten NAT-Nachweisgrenzen werden die entsprechenden Vorgaben aus allen vorangegangenen Bescheiden ersetzt.
  3. Die mit Bescheiden vom 08.05.2009, vom 05.02.2019 und vom 18.03.2020 für Quarantäne-gelagerte Plasmen angeordneten Verpflichtungen zur Verminderung des TRALI-Risikos bzw. zum Spenderscreening mittels HEV-NAT-Testung und zum Spenderscreening mittels WNV-NAT-Testung bleiben auch bei Entfall der Quarantänelagerung bestehen.
  4. Für gefrorene Frischplasmen, lyophilisierte Plasmen und kryokonservierte Erythrozytenkonzentrate, die sich am 01.12.2023 in Quarantänelagerung befinden, entfällt die Verpflichtung zur weiteren Quarantänelagerung und zur Quarantäne-beendenden Spendertestung, wenn eine Testung im Sinne der Vorgaben zu 1 a. bis c. dieses Bescheides bereits durchgeführt wurde.
  5. Für gefrorene Frischplasmen, lyophilisierte Plasmen und kryokonservierte Erythrozytenkonzentrate, die weiterhin Quarantäne-gelagert werden und die einer Quarantäne-beendenden Spendertestung unterzogen werden, gelten die bisher angeordneten Nachweisgrenzen für das NAT-Screening unverändert fort.
  6. Die Entscheidung über die Gebühren ergeht mit gesondertem Bescheid.

Begründung

Die Auflagen zur Zulassung beruhen auf § 28 Abs. 3c Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 Arzneimittelgesetz (AMG).

Danach kann das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), soweit dies zur Risikovorsorge geboten ist, bei den o. g. Arzneimitteln durch Auflage anordnen, dass bei ihrer Herstellung und Kontrolle bestimmte Anforderungen eingehalten und bestimmte Maßnahmen und Verfahren angewendet sowie Unterlagen über die Validierung vorgelegt werden.

Die Modifizierung der bisher geltenden Auflagen zur Risikominimierung für die betroffenen Arzneimittel sind geboten, wenn neue Erkenntnisse zum Nutzen der vorgeschriebenen Maßnahme, hier der Quarantänelagerung und Spendertestung, vorliegen.

Im Rahmen des Informationsaustausches wurden die Daten von 3,5 Millionen Plasmafreigaben aus den Jahren 2015 bis 2019 dokumentiert. Die Auswertung zeigt, dass der Nutzen einer Quarantänelagerung für die Sicherheit von Frischplasma, unter Einhaltung der von 1. a bis c genannten Nachweisgrenzen (LOD), als sehr gering eingestuft werden kann, wie bei der „Anhörung zur Etablierung des neuen Sicherheitsstandards vom 15.06.2022“ bereits näher ausgeführt wurde. Bei Folgespenden, die im Spendenscreening positiv auf HIV, HCV oder HBV getestet worden waren, ergab die Untersuchung der einzelnen Rückstellproben der initialen Spende in keinem Fall ein positives Bestätigungsergebnis [Fiedler SA, et al. Transfus Med Hemother 2022 Sep 13; doi: 10.1159/000525747].

Es ist anzunehmen, dass das Ergebnis der durchgeführten Untersuchung gleichermaßen auch auf die weiteren im Betreff genannten langzeitkonservierbaren Blutkomponenten wie lyophilisiertes Plasma und kryokonserviertes Erythrozytenkonzentrat übertragbar ist, ohne dass hierzu Daten im Rahmen eines Informationsaustausches im Stufenplanverfahren erhoben wurden.

Die Vorgaben für die NAT-Testung, die, soweit eine Quarantänelagerung nicht mehr durchgeführt wird, im Vergleich zu früheren Anordnungen verändert wurden, tragen den Erkenntnissen aus dem Stufenplanverfahren hinsichtlich der nunmehr anzusetzenden minimalen Nachweisgrenzen (LoD) Rechnung.

Hintergrund

Die Einführung der Quarantänelagerung für gefrorenes Frisch-Plasma für einen Zeitraum von sechs Monaten erfolgte am 29.11.1993 durch einen Bescheid des Bundesgesundheitsamtes (BGA). Die Anordnung der Maßnahme wurde begründet mit vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie den eingereichten Stellungnahmen betroffener pharmazeutischer Unternehmer. Das BGA kam zu der Einschätzung, „dass trotz sorgfältiger Spender- und Spendenselektion Blut- und Blutbestandteilkonserven, die nicht mit Verfahren zur Virusinaktivierung/-eliminierung behandelt worden sind, Infektionskrankheiten übertragen können“.

Zehn Jahre später ordnete das PEI in einer Bekanntmachung vom 27.02.2003 die Verkürzung der Quarantänelagerung von gefrorenem Frischplasma von sechs auf vier Monate an. Seit dieser Verkürzung der Quarantänelagerung wurden die Anforderungen an das Spendenscreening weiter erhöht. So wurde 2006 die Einführung des Anti-HBc-Spenderscreenings und 2012 eine HIV-Dual-Target-NAT-Testung für alle Blutspenden verbindlich vorgeschrieben. Im Rahmen der damaligen Anhörung gab die Mehrheit der Blutspendeeinrichtungen an, bereits eine HBV-NAT-Testung auf freiwilliger Basis etabliert zu haben.

Auswertung der Anhörung zur Etablierung des neuen Sicherheitsstandards vom 15.06.2022

Zu der Etablierung des beschriebenen neuen Sicherheitsstandards von Blutkomponenten wurden die pharmazeutischen Unternehmer mit Schreiben vom 15.06.2022 angehört.

Die Mehrheit der an der Anhörung beteiligten Blutspendeeinrichtungen (17 von 20) befürworteten die Umsetzung der neuen Maßnahme, da hiermit ein adäquater Sicherheitsstandard bei einem gleichzeitig verminderten logistischen Aufwand gewährleistet werde. Drei von 20 der antwortenden Blutspendeeinrichtungen lehnten die Aufhebung der bisherigen Quarantänelagerung von gefrorenem Frischplasma ab. Diese Blutspendeeinrichtungen befürworteten die Beibehaltung des etablierten Sicherheitsstandards und verwiesen auf einen möglichen Nutzen einer Quarantänelagerung bei neu auftretenden Erregern.

Die Aufhebung der Quarantänelagerung von langzeitkonservierbaren Blutkomponenten bei einem geeigneten Pathogen-Reduktionsverfahren wurde bereits genehmigt, so dass hierzu keine zusätzliche Anhörung erforderlich war.

Hinweis

Die Untersuchung der Spenden im Minipool ist im Hinblick auf die geforderte RNA- bzw. DNA-Konzentration in der Einzelspende zu validieren.

Die zustimmungspflichtige Änderung ist vom pharmazeutischen Unternehmer dem PEI gemäß § 29 Absatz 1 Satz 1 AMG spätestens drei Monate vor dem Einsatz im Spender-Screening (Eingangsdatum PEI) über die E-Mail-Adresse eSubmission@pei.de anzuzeigen.

Neu verwendete Screeningtests sind dem PEI über die Datenbank "Spendertestung" unter der unten angegebenen Internetadresse zusätzlich zu übermitteln.

Rechtsbehelfsbelehrung

Dieser Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach Veröffentlichung im Bundesanzeiger als bekannt gegeben. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach diesem Zeitpunkt Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist beim Paul-Ehrlich-Institut, Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel, Paul-Ehrlich-Straße 51-59, 63225 Langen, schriftlich oder zur Niederschrift zu erheben.

Langen, den 3. Juli 2023

Paul-Ehrlich-Institut
Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel

Prof. Dr. K. Cichutek

Aktualisiert: 28.07.2023